: Keine Entwarnung
Die Koalition gibt in der BND-Affäre Entwarnung. Die Opposition widerspricht und rückt zusammen
AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF
Eigentlich dürfen sie gar nichts sagen. Die neun Abgeordneten, die im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) des Bundestags sitzen, um die Arbeit der Geheimdienste zu überwachen, sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Was sie hinter verschlossenen Türen erfahren, müssen sie für sich behalten. Doch am Wochenende platzte einigen von ihnen der Kragen. So deutlich wie nur möglich protestierten die Vertreter von FDP, Grünen und Linkspartei gegen die Zusammenfassung der letzten Sitzung, die der Vorsitzende des Gremiums, Norbert Röttgen, am Freitag verbreiten ließ. Der Bericht des CDU-Politikers klang ihnen zu sehr nach Entwarnung.
Röttgen hatte erklärt, die Berichte der zuständigen Fachleute in der vertraulichen Runde hätten „keine Anhaltspunkte“ dafür geliefert, dass Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) den USA bei der Suche nach Bombenzielen im Irak geholfen haben. Damit schien der schwerwiegendste Vorwurf entkräftet, der in der vergangenen Woche erhoben worden war: aktive Beteiligung am Irakkrieg. Davon könne keine Rede sein, versicherten auch die zuständigen SPD-Minister Frank-Walter Steinmeier (Außen) und Peter Struck (Verteidigung). Kein Wunder, dass sich die SPD-Kollegen in der PKG mit den Erklärungen, die sie von Regierungsseite hörten, zufrieden gaben.
Nicht so Max Stadler: „Eine Untersuchung ist erst dann abgeschlossen, wenn sie abgeschlossen ist“, sagte der Vertreter der FDP im Kontrollgremium zur taz. Dass die Sitzung keine Anhaltspunkte für Fehler des BND geliefert habe, bedeute keineswegs, dass es keine Fehler gegeben habe, betonte Stadler. Viele Fragen sei „offen geblieben“. Er empfehle seiner Fraktion deshalb, für die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu plädieren. Dies hat die Linkspartei bereits getan. „Die Generalfrage bleibt ungeklärt!“, findet die Fraktionsvize Petra Pau. „Wie umfangreich war die Bundesrepublik Deutschland am Krieg der USA und anderer gegen den Irak beteiligt?“ Auch der Grüne Christian Ströbele empörte sich über Röttgens Öffentlichkeitsarbeit nach der geheimen Gremiumssitzung: „Da wurde etwas in die Welt gesetzt, was sich so anhört, als sei an den Vorwürfen nichts dran“, schimpfte Ströbele. Entwarnung? Nicht von ihm. Er gehe im Gegenteil „nach wie vor davon aus, dass die Vorwürfe im Kern zutreffen“, sagte Ströbele der Berliner Morgenpost. Dass der BND den USA Informationen über Ziele gab, die nicht bombardiert werden sollten, ist unbestritten. SPD und Union finden das völlig in Ordnung. Politiker von Linkspartei und Grüne sehen auch darin schon eine Teilnahme am Krieg.
Die Grünen wissen, dass sie von allen drei Oppositionsparteien am meisten zu verlieren haben, geht es doch um ihre eigene Regierungszeit. Es sei aber „ausgeschlossen“, dass die Grundsatzentscheidung, einen Untersuchungsausschuss einzuberufen, zurückgenommen werde, hieß es aus grünen Kreisen. Ihre neue Rolle zwingt die Grünen, Transparenz zu fordern. Unisono mit Linkspartei und FDP wollen sie auch die Besuche deutscher Beamter in Guantánamo und die Zusammenarbeit mit der CIA im Untersuchungsausschuss klären. Erfahrene Abgeordnete von FDP und Grünen dämpften jedoch die Erwartungen und wiesen auf mögliche Einschränkungen der Aufklärungsarbeit hin. So kann die Öffentlichkeit auch in Untersuchungsausschüssen ausgeschlossen werden. Geheimdiensmitarbeiter dürfen nur aussagen, wenn sie eine Genehmigung erhalten. „Ein Teil der Themen wird nur nicht öffentlich behandelt werden können“, sagte Stadler, „sodass der Erkenntnisgewinn natürlich nur ein partieller ist.“ Für die FDP geht es aber auch um den politischen Gewinn. Für ihn, Stadler, sei die zentrale Frage: „Gab es unter Rot-Grün eine Diskrepanz zwischen der öffentlich formulierten Politik und dem tatsächlichen Verhalten?“ Je länger darüber gerätselt wird, desto besser für die Liberalen.