Keine Entwarnung in Sachen AIDS

■ AIDS-Beratungsstellen befürchten, dass Kürzungen ihre Präventionserfolge gefährden / Sozialsenatorin wiegelt ab

Heute ist Welt-AIDS-Tag – für Betroffene und BeraterInnen ein Anlass zur Bilanz. Die freien Träger in der AIDS-Beratung sehen die Erfolge ihrer Arbeit durch Etatkürzungen gefährdet. Sie argumentieren, der Spielraum für Ein-sparungen sei bei ihnen in den letzten Jahren bereits ausgereizt worden. Jede weitere Verschlechterung ihrer finanziellen Ausstattung würde sich direkt negativ auswirken – auf die Betreuung von Infizierten und Erkrankten ebenso wie auf die Präventionsarbeit. Das könnte fatale Konsequenzen haben.

Nach Zahlen des Berliner Robert-Koch-Instituts, das AIDS-Fälle bundesweit registriert, sind in Bremen bisher für eine Großstadt außergewöhnlich wenige Menschen an AIDS erkrankt. Seit ihrem Bekanntwerden wurde die Krankheit bei 258 Bremern festgestellt, von denen inzwischen 115 gestorben sind. Das entspricht einer Zahl von 379 Fällen auf eine Million Einwohner. In Berlin und Frankfurt sind es 1.500 und in Hamburg 960.

Dafür sind verschiedene Faktoren ausschlaggebend. Einerseits haben viele Infizierte Bremen verlassen. Sie haben in den Schwerpunkteinrichtungen der Unikliniken von Hamburg, Hannover oder Berlin bessere Therapieangebote gefunden und werden deshalb in diesen Städten registriert.

Andererseits hat auch der niederschwellige Präventionsansatz in Bremen eine weitere Ausbreitung von AIDS verhindert. Das „Bremer Modell“ machte einst bundesweit Schule: Es sieht kostenlose, anonyme HIV-Tests und die breite Verteilung von Kondomen und Spritzen ebenso vor wie eine Präventionsarbeit in Kooperation mit den Hauptbetroffenengruppen. Dadurch, so Andreas Masch von der AIDS-Beratung des Gesundheitsamtes, hätten öffentliche und freie Träger eine zielgruppenspezifische Angebotsstruktur geschaffen, die sich bewährt habe. Tatsächlich ist in Bremen die Zahl der Neuinfektionen seit Jahren rückläufig.

Angesichts der inzwischen verbesserten Behandlungsmöglichkeiten sieht Masch allerdings die Gefahr einer vorschnellen Entwarnung: Vor allem junge Menschen würden AIDS häufig für heilbar halten. Deshalb setzt das Gesundheitsamt besonders auf die Aufklärung Jugendlicher. Die sähe Masch am liebsten in den schulischen Sexualkundeunterricht integriert.

Auch in den Augen der Spender hat die AIDS-Thematik offensichtlich an Brisanz verloren: Die AIDS Hilfe Bremen verzeichnete 1995 noch Spenden in Höhe von 65.000 Mark. Im laufenden Jahr kamen dagegen bislang erst 8.000 Mark zusammen. Auch deshalb halten die freien Träger ihre Arbeit für gefährdet, wenn sie die jährliche Einsparquote von drei Prozent aller öffentlichen Mittel erfüllen müssten.

Bis zum Jahr 2005 würde der Etat des Bereichs damit von 700.000 auf 580.000 Mark schrumpfen. „Bei gleichzeitig steigenden Kosten müssten wir schon im ersten Jahr eine unserer sechs halben Stellen streichen und die Prävention drastisch zurückfahren“, sagt Thomas Fenkl für die AIDS Hilfe Bremen.

Auch bei der Aids-Beratungsstelle im Rat und Tat Zentrum für Schwule und Lesben ist das Ende der Fahnenstange erreicht: „Wir müssen schon jetzt jährlich 10.000 Mark an Eigenmitteln aufbringen. Jede weitere Kürzung würde direkt zu Lasten der Betreuungs- und Präventionsarbeit gehen“, sagt Annette Mattfeld von der Beratungsstelle. Was das bedeuten kann, rechnet Thomas Fenkl vor: „Wenn wir nur eine einzige Infektion verhindern, würde das Kosten in Höhe von drei Jahresetats für den ganzen Bereich der AIDS-Beratung einsparen.“

Sozialsenatorin Hilde Adolf (SPD) relativiert die Befürchtungen: In ihrem Ressort werde „nicht mit dem Rasenmäher gespart“, sondern jeder Posten einzeln auf Einsparpotentiale geprüft. Ob die freien Träger der AIDS-Hilfe einen Sparbeitrag leisten müssten, sei noch nicht geklärt. not