: „Keine Daten zurückgehalten“
■ Studie: Bau- und Gesundheitsverwaltungen wehren sich gegen Vorwürfe
Die Daten des umstrittenen Gutachtens „Gesundheit und Verkehr“ sollen in einigen Wochen veröffentlicht und Lösungsstrategien öffentlich diskutiert werden.. Die Untersuchung des „Büros für Verkehrsökologie“ zur Schadstoff- und Lärmbelastung durch den Autoverkehr in der Neustadt und der Neuen Vahr (die taz berichtete gestern) werde keineswegs zurückgehalten, erklärte Gesundheitssenatorin Irmgard Gaertner gestern. Die Gesundheitsbehörde hatte das Gutachten in Auftrag gegeben. „Es hat Fehler bei der Beurteilung der Zeit für Konzepte geben“, räumte die Senatorin ein. Die Präsentation der Studie sei aufgeschoben, aber keineswegs aufgehoben. Auf diesem „komplizierten Feld“ dürfe es „keine Schnellschüsse“ gebe, erklärte die Senatorin.
Auch Staatsrat Jürgen Lüthge aus dem Bauressort verwahrte sich gegen den „Rufmord“, er habe eine Veröffentlichung der Daten unterdrücken wollen. Mit der Studie sei er erst kurz vor der Sitzung am Montag befaßt worden. In der Abstimmung der Ressorts Bau, Gesundheit und Umwelt habe es im Gesundheitsressort selbst zwischen Behördenspitze und nachgeordneten Beamten Differenzen über die Behandlung der Daten gegeben. Lüthge versichert, er selbst sei für eine Veröffentlichung der Daten gewesen: „Meinetwegen kann man das jeden Tag publizieren“. Er habe allerdings auch geraten, in die Studie „kritisch reinzugucken: Die Angaben zum Vergleich zwischen der Belastung durch Stickstoffoxid zwischen der Helgolander Straße und der Stadt Chattanooga in den USA sind - vorsichtig formuliert - neu.“
Umweltstaatsrat Uwe Lahl, Vertreter der Umweltbehörde bei dem Treffen am Montag, erinnert sich dagegen an eine andere Rollenverteilung: Lüthge habe gefordert, das Gutachten an die Auftraggeber zurückzusenden, um strittige Aussagen in wichtigen Passagen zu relativieren. Die Daten kämen nach der Ansicht der Bauverwaltung „zu unvermittelt“ und die Einwirkungsmöglichkeiten des Landes Bremen seien ohnehin gering. Lahls Erinnerung an die Diskussion: „Das Bauressort hat nicht für den verkehrspolitischen Fortschritt argumentiert.“
Gegen den Vorwurf, die Daten des Gutachtens seien unseriös erhoben worden, verteidigte sich der Leiter des „Büros für Verkehrsökologie“, Klaus Schäfer-Breede. „Wir haben ein Berliner Labor mit den Untersuchungen befaßt, das auch für die Baubehörde arbeitet; die toxikologischen Gutachten sind von renommierten Wissenschaftlern der Uni Kiel gemacht worden.“ Die ermittelten Werte seien über ein Jahr errechnet und nicht einfach mit einem Meßwagen punktuell nachzuprüfen. Insgesamt, so Schäfer- Breede, werde das Thema mit der gegenwärtigen Diskussion um die Veröffentlichung der Daten „verheizt“.
In der toxikologischen Bewertung der Meßergebnisse kommen die Gutachter zu dem Schluß, daß für die Neustadt „vor dem Hintergund der erhöhten Mortalitäts(Sterblichkeits)rate dringender Handlungsbedarf“ besteht, vor allem entlang der vielbefahrenen und hochbelasteten Oldenburger und Neuenlander Straße sowie der Pappel- und Friedrich-Ebert-Straße. Das Risiko, in der Neustadt an verkehrsbedingtem Krebs zu sterben, ist nach dieser Analyse fünf- bis siebenmal so hoch wie in der Neuen Vahr. Bei Kindern in der Neustadt sei mit gehäuft auftretender Atemwegserkrankungen wie Pseudokrupp und Bronchitis zu rechnen. Der Lärm schließlich verursache ein „erhöhtes Herzinfarktrisiko insbesondere bei Menschen mit Bluthochdruck.“
Die Studie widerlege das Gerede vom „Reinluftgebiet Bremen“, erklärte Schäfer-Breede. Wo man sich bisher wegen des küstennahen Windes keine Gedanken über Smog gemacht habe, müsse man umdenken. Die Studie attestiert Bremen jedenfalls Weltstadtniveau: „Die Belastung durch Luftschadstoffe ist mit der in anderen Großstädten wie Berlin, Hamburg, München oder Leipzig vergleichbar.“ Bernhard Pötter
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