: Keine Berührungsängste
Spielen mit klischierten Genre-Versatzstücken, ohne einen Brei daraus werden zu lassen: Frankreichs Jazz-Revoluzzer „NoJazz“ sind mit ihrer knallbunten Mischung aus Jazz und Drum‘n‘Bass, Disco- und Latinelementen in der Fabrik
von KNUT HENKEL
Humor haben sie, diese fünf Franzosen. Ohne den wären sie wohl nicht auf die Idee gekommen, den Buena Vista Social Club-Evergreen „Candela“ zu sezieren und einzig den Refrain der Supermarkt-Hymne übrig zu lassen. Den haben sie eingebettet in fette Discobeats, Trompetensoli draufgelegt und mit spanischem Rap garniert – fertig ist die sicherlich modernste Fassung des Klassikers von Faustino Oramas.
Nein, auch Berührungsängste kennen die gestandenen Jazzer um Trompeter Nicolas Folmer wirklich keine. Folmer hat genauso wie Philippe Selam, der Kollege am Saxophon, reichlich Erfahrung als Studiomusiker. Gleiches gilt für Schlagzeuger Pascal Reva. Irgendwann hatten die drei immer weniger Lust darauf, ihren Sound bloß in den Dienst zahlungskräftiger Kollegen zu stellen. Zu ihnen gesellte sich mit Philippe Balatier ein Keyboarder, der sein Geld mit dem Komponieren von Werbemusik verdiente. Und mit Mike Chekli ein DJ aus der Pariser Club-Elite.
Die Lust, etwas Eigenes und Neues zu machen, hat NoJazz entstehen lassen. Die Spiel- und Experimentierfreudigkeit hat der Band in Frankreich bereits Kultstatus eingebracht – gerade auch in der Clubszene. In Stücken wie „Medina“, das orientalische Rhythmen mit HipHop, Drum‘n‘Bass, und Ragga-Vibes zusammenbringt, wird mit allem und jeder Stilrichtung experimentiert. Gesampelte klischeehafte orientalische Klänge werden mit Techno-Grooves und Bläsersoli verwoben. Danach steht dann etwa ein musikalischer Ausflug nach Jamaika auf dem Programm, um Ragga und Jazz miteinander bekannt zu machen. Bei „El Primero“ sind es dann wiederum lateinamerikanische Reminiszenzen, die dem Stück den letzten Schliff geben.
NoJazz spielen mit den musikalischen Genres, ohne sie zu einem Brei zu vermengen. Sie kippen hier und da noch einen satten Schuss Funk auf das Allerlei und verfahren scheinbar nach dem Motto: „Alles geht, Hauptsache, es groovt“. Mit diesem Credo stießen sie auf offene Ohren bei einem Altmeister der Szene: Teo Macero. Der ehemalige Hausproduzent von Columbia Records, der an einigen Alben von Miles Davis und Charles Mingus beteiligt war, hat sich für die Newcomer ins Zeug gelegt und ihr erstes Album für Warner Classics produziert.
Das hat daheim in Frankreich derart eingeschlagen, dass sich sogar die ehrwürdige Le Monde schon fragte, ob sich die Zukunft des Jazz NoJazz buchstabiere. Jetzt geben die vermeintlichen Jazz-Revoluzzer ihre Visitenkarte auch vor – traditionell weniger leicht zu begeisterndem – deutschen Publikum ab.
Montag, 21 Uhr, Fabrik