Keine Alternative für Milchbauer: Aufnahmestopp bei Biomilch
Biobauern bekommen für ihre Milch höhere Preise als die notleidenden konventionellen Erzeuger. Doch denen ist der Ausweg in den Ökomarkt verstellt.
Milchbauer Johannes Fresen will das tun, was Experten seiner Branche raten: wegen des Preisverfalls für konventionelle Milch jetzt auf die lukrativere Bioproduktion umstellen. Doch Fresen musste feststellen: "Das geht gar nicht." Vor drei Wochen habe er einer Molkerei angeboten, dass sein 30-Kühe-Betrieb künftig Öko-Milch liefert. "Aber die Molkerei hat einen Aufnahmestopp", sagt Fresen.
Mit dieser Erfahrung steht der Bauer aus dem nordrhein-westfälischen Dorf Deifeld nicht allein. Die meisten der etwa 40 Firmen in Deutschland, die Biomilch verarbeiten, nähmen derzeit keine oder nur sehr wenige neue Lieferanten auf, sagt Josef Jacobi, der Chef der Upländer Bauernmolkerei in Hessen, die Landwirt Fresen gern beliefern würde. Der größte Ökobauernverband Bioland bestätigt Jacobis Einschätzung.
Der Grund ist einfach. "Der Andrang der Bauern ist größer als der Absatz der Milch", erklärt Jacobi. Auch der Marktführer, die Andechser Molkerei Scheitz, hat einen Aufnahmestopp verhängt. Milcheinkaufsleiter Christian Wagner sagt: "Wir wollen nicht zusätzlichen Druck auf den Biomarkt bringen."
Die Molkerei Söbbeke aus dem Münsterland schließt zwar weiter Verträge mit Bauern. Aber die Zeiten, in denen das Unternehmen so gut wie alle Interessenten aufnahm, sind seit 2007 vorbei. "Allein in den ersten drei Monaten des Jahres mussten wir 20 bis 30 Bauern ablehnen", berichtet Prokurist Andreas Nissen. Das liege nicht daran, dass die Molkerei ihre Produktion nicht ausweiten könne - "das hätten wir gewuppt", sagt Nissen. Aber der Biomilchmarkt wachse nicht mehr um 15 bis 20 Prozent pro Jahr wie früher, sondern nur noch fünf bis acht Prozent. Nissen: "Ich vermute, dass das an dem Preisanstieg für die Endkunden im Jahr 2007 und jetzt vielleicht auch an der Rezession liegt."
Dabei wollen immer mehr Landwirte den Weg ins vermeintliche Ökoparadies einschlagen. Bei Söbbeke etwa gab es im ersten Quartal des vergangenen Jahres nur fünf Anfragen, entgegen der 30 in diesem, erzählt Nissen. Auf der Warteliste der Andechser stehen inzwischen rund 100 Adressen. Auch Umstellungsberater wie Otto Volling in Niedersachsen berichten von größerem Interesse.
Der Grund ist für Nissen von Söbbeke klar: "Die miserablen Auszahlungspreise, die die konventionellen Bauern jetzt erhalten." Im Schnitt kassierten sie laut Bioland im Februar rund 26 Cent pro Kilo Rohmilch, Tendenz: fallend. Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) befürchtet wegen des Preisverfalls, dass immer mehr Höfe pleitegehen. Für Bio gab es dagegen im Februar etwa 40 Cent - also 14 Cent mehr. Zwar sind auch die Ökopreise seit Anfang 2008 um 21 Prozent gefallen. Die konventionellen Bauern mussten aber ein Minus um 36 Prozent hinnehmen - und das auf einem eh schon viel niedrigerem Niveau.
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