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Kein richtiger Schweinkram...

■ ...aber trotzdem ganz schön: Die ARD zeigt "Erotische Geschichten". Immer nach der Herrensendung "Bericht aus Bonn"

Gehen wir mal Voyeure glotzen, da kann man noch was lernen. Zum Beispiel dies: Werfen Sie nicht auf den Gucker, denn er ist ein verzweifelter Glückssucher.

Die Regisseure, die ab heute jeden Freitag im Ersten ihre Geschichten erzählen, über die von der Anstalt zur „schönsten der Welt“ dekretierten „Sache“, die haben das mit der Fernseherotik ernst genommen. Sex, wird da der guckenden TV-Userschaft versichert, ist Gucken. Und Gucken ist gut.

Sex? Na ja. Es geht nicht wirklich um Sex und nicht um Erotik. Wieder einmal wird das Medium hauptsächlich in eigener Sache tätig. Am klarsten und klügsten kommt die Message gleich heute abend in Cinzia Torrinis Komödie „Zuckerschnute“ (22.55 Uhr) rüber. Alles, aber auch wirklich alles hat die Schönheit Anna darangesetzt, um Blicke und Libido ihres blöden Schlipsgatten auf sich zu lenken. Der glotzt nur fern. Erst als sich Anna mittels Kamera und Monitor selbst in die Lichtsignale eines erotischen Bildschirmprogramms verflüchtigt, legt sich der Latin Lover zur Liebesnacht. Ahh, werden die TV-Verantwortlichen befriedigt wollustgeseufzt haben, ahh, es geht: Fernsehen macht/ist geil. Zu haarfein, haarscharf ist Torrinis Ironie für sie. Teil des Programms geworden, sehen wir das bekannte Bild, Brustwarzen schirmfüllend, aber wir haben vergessen, daß wir glotzen.

Wenig Sex, viel Lügen, viel Video

Die Lektion intus, probieren wir sie gleich aus, wenn am 2. Februar Bob Rafelsons „Feucht“ läuft. Aha, auch hier eine Kamera vor der Kamera, richtig, auch hier die katalysatorische Funktion der Fernsehtechnik: Zwei (!) selbstbewußte(!!) Frauen bringen einen(!) schüchternen (!!) anständigen (!!!) Badewannenverkäufer mit unlauteren, das heißt männlichen Mitteln zur Strecke. Beziehungsweise um eine Wanne. Wenig Sex, viel Lügen, viel Video; ach, geplatzte Männerträume sind nicht schön.

Bei Susan Seidelmans Oscar- nominiertem „Der flämische Meister“ (nächsten Freitag) kennen wir uns nun schon ein bißchen in den Blickstrukturen aus. Wir blicken über den Bildrand auf eine Frau, die über einen Bildrand auf einen Mann blickt. Blickt und träumt. Ach, Frauenträume sind schön: Das Leben, das sich in die Kunst mixt und andersrum, da könnten wir doch mittun vor unserem Bildschirm, anders sein als die bettgeilen Kolleginnen der Schönen, die nur glotzen wollen, am Bahnhof, wo es „solche (wissender Blick) Filme“ gibt: „Kein richtiger Schweinkram, aber trotzdem ganz schön...“

Da bleibt nur noch ein Starren

Janusz Majewskis „Der Teufel und die Jungfrau“ dagegen (am 19. Januar) wirft uns auf recht üble Weise auf uns selbst zurück: Weil wir uns teuflisch versucht sahen, den Ton abzudrehen, um nicht hören zu müssen, wie Majewski die uns verzückende Renata Dancewicz lauter dumme Altherrensätze sagen läßt. Dann wollten wir sogar dauernd auf Schnellvorlauf schalten, um nicht mit anzusehen, wie zwischendrin der Regisseur die Schöne durch erntereife Kornfelder und stille Seen jagt (Fruchtbarkeit! Erwachen!) und durch seinen ganzen moralverschwiemelten Schmarren. Da bleibt nur noch ein Starren, und der blickreiche Voyeur endet als armer Spanner.

Wie es sich heute gehört (was auch in den Dingen des Eros über die Zeit zu einem wichtigen Kriterium geworden ist), hat sich die Produktion der ARD-Reihe auch jenseits der konventionellen Phantasie- und Erzählkonventionen ein bißchen umgetan. Ruhig, aber wenig irritierend filmt Paul Cox die Stationen einer Frauenliebe ab („Berührungen“, am 26. März), mit einem satten moralischen Spaß läßt Ken Russell die leider mit dümmlichen Dialogen gespickte Komödie von der „unersättlichen Mrs. Kirsch“ enden (am 26.1.).

Eine betörende Welt aus verhaltenen Blicken schafft der indische Regisseur Mani Kaul in seinem Märchen „Himmelspforte“, einem Film voller Vögel und Liebe (am 9.2.). Und eine gnadenlose Männerphantasie hat, fast überfallartig verstörend, einer inszeniert, der sich auf Lust und Lustiges versteht: Melvin van Peebles („Vrooom, vroom, vroom“, am 16.2.).

Überhaupt, Geschlechterfragen. Die Damen verachten die Männer, aber sie brauchen sie halt. Die Herren bewundern die Frauen, aber sie müssen sie halt brauchen. So scheint's nach Sichtung der Reihe, an der aber nur zwei Regisseurinnen beteiligt sind. Warum hat das Erste seine Lehrstücke über verstörte Männerblicke und schöne kluge Frauen-/ Pfauenaugen wohl hinter die Herrensendung „Bericht aus Bonn“ gelegt? Da will sich der trockene Apparat zum Wochenende ein wenig stadtgeil machen. „Darf, kann oder soll oder nicht der Zuschauer vor dem Fernsehschirm onanieren?“ wurde bei der Präsentation gefragt. Wir sind da nicht so kompetent. Aber wir würden zu den bewährten Vorlagen raten. Lutz Meier

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