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■ KommentarKein Volksempfinden

Ein Urteil in einem Prozeß um eine Kindstötung kann nicht nach jedermanns Geschmack sein. Die Justiz muß sich am Rechts- und nicht am Volksempfinden orientieren, die Rachegelüste der Umstehenden müssen außen vor bleiben. Die Kammer des Hamburger Landgerichts ist bei der Urteilsfindung offenbar einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes gefolgt, der in einem – freilich nur auf den ersten Blick – ähnlich gelagerten Fall auf einen „mißglückten Mitnahme-Suizid“ erkannt hatte. Der geständige Angeklagte wurde daher nicht wegen Mordes sondern wegen Totschlags verurteilt.

Das Urteil ist wesentlich milder ausgefallen als viele erwartet hatten. Die Großeltern der getöteten Kinder konnten ihre Tränen kaum zurückhalten, Verwandte beschimpften die Richter, als diese längst außer Hörweite waren. Die Anwältin der Mutter, die vor Gericht ebenso wie die dreizehnjährige Tochter als Nebenklägerin auftrat, strebt die Revision an. Und noch einmal haben sich gestern alle Beteiligten, Freunde, Verwandten und Fürsorgerinnen gegenseitig beschuldigt, die Situation in der hochverschuldeten Familie falsch eingeschätzt zu haben.

Wenn diese Anschuldigungen und die Empörung über das in jeder Beziehung gerechtfertigte Urteil verklungen sind, wird der Blick frei auf die anderen Kinder, die – nicht nur in Lurup – einer ungewissen und traurigen Zukunft entgegensehen. Denn Gewalt ist in vielen Familien an der Tagesordnung.

Hinterher, wenn das Drama passiert ist, ist es entsetzlich schwer, ein noch so gravierendes menschliches Fehlverhalten in Haftjahren aufzuwiegen.

Paula Roosen

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