Kein Skandal: Britische Investoren wollen „Berliner Zeitung“ kaufen : Auch deutsche Verleger wollen Renditen
Ist die Pressefreiheit in Deutschland in Gefahr? Eine britische Investorengruppe will die Berliner Zeitung kaufen und hat klar zugegeben, dass sie hohe Renditen erzielen will. Die Redaktion wehrt sich mit Asterix-Cartoons und harten Attacken des Chefredakteurs: Der neue Investor Montgomery hätte kein Konzept und auch keine Ahnung vom Berliner Zeitungsmarkt. Wo ein Bad Guy fest steht, gibt es immer Good Guys. Für diese Rolle hat die Berliner Redaktion auch schon eine Besetzung gewählt: Dazu zählen die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) und der Kölner Verleger Neven DuMont, die gleichfalls Kaufinteressen hegen.
Ein bisschen erstaunlich ist diese Schlachtordnung schon – als ob nicht auch deutsche Verleger Renditen sehen wollen. Die WAZ-Gruppe ist legendär für ihre Kürzungsrunden und ihre Dauerfehde mit den Journalistengewerkschaften. Der Konzern hat nur ein Ziel: seinen Gewinn zu maximieren. Vielleicht tut er dies aber etwas „langfristiger“, als es nun den Briten unterstellt wird.
Das hehre Wort von der „Pressefreiheit“ vernebelt, dass die Presse in Deutschland kapitalistisch organisiert ist. Zudem sind die meisten Lokal- und Regionalzeitungen konkurrenzlos – meist gibt es vor Ort überhaupt nur ein Blatt. Die Renditebedingungen für Zeitungsverleger könnten also bestens sein. Begrenzt wird die Freude durch zwei Trends: Zum einen stagnieren die Anzeigen, die zunehmend in andere Medien wie das Internet abwandern. Zum Zweiten schwinden die Abonnenten.
Überhaupt die Leser. Sie sind häufig viel kritischer, als es sich die Verleger wünschen. So hat die Mehrheit der deutschen Medien recht offen für eine Koalition aus Union und FDP geworben. Nicht ganz zufällig: Schließlich profitieren die Verleger wie alle Unternehmer, wenn die Steuern weiter sinken. Doch diese Parteinahme hat die Abonnenten nicht weiter interessiert; sie wählten trotzdem mehrheitlich SPD, Grüne oder die Linken.
Die Leser sind eine Macht, die sich bei Renditezielen nicht ignorieren lässt. Das werden nicht nur deutsche Verleger, sondern auch die britischen Investoren wissen. Die Pressefreiheit ist bei den Lesern gut aufgehoben. ULRIKE HERRMANN
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