■ Kein Geld für die Bildung?: Neue Finanzierungsmodelle
Letzten Sommer haben sie die Müllabfuhr erhöht. Nun wurden die Gebühren für die Abwasserbeseitigung verdoppelt. Und der Schornsteinfeger hat auch schon geschrieben, daß er ab nächsten Monat dreißig Prozent mehr haben will. Die Staatskassen sind leer. Und nach der 27prozentigen Diätenerhöhung in Bayern ist für die Schulen ohnehin nichts mehr da. Die Politiker haben angedeutet, daß das Land dringend neue Steuern braucht. Und wer will sich schon darauf verlassen, daß dann ein paar Mark für die Bildungseinrichtungen übrigbleiben.
Da paßt es, daß die SPD-Frau Rosemarie Raab als Vorsitzende der Kultusministerkonferenz die Lehrer nur noch leistungsbezogen entlohnen will. Stört mich aber wenig. Denn an unserer Schule haben wir bereits alles bestens im Griff und finanzieren den Schulbetrieb und unsere Gehälter in eigener Regie. Während noch einige wenige Medienpolitiker versuchen, Kindersender der Spielzeugindustrie im Kabelnetz zu verhindern, haben wir unser Schultor für die Industrie weit aufgemacht. Unser Unternehmensberater hatte überzeugend dargelegt, daß wir mit unseren fast siebenhundert 6- bis 18jährigen ein gigantisches Kaufpotential jugendlicher Konsumenten anbieten können. Deshalb haben wir die ehemalige Hausmeisterloge mit dem Milchverkauf langfristig an McDonald's vermietet. Um keine Marktanteile zu verlieren, drängte auch Burger King in unsere Schule. Die veranstalten nun in der großen Pause die Whopper-Schlacht. Die Schüler sind zufrieden. Zumal derjenige von ihnen, der innerhalb eines Schuljahres 2.350 von diesen Hackepeterbrötchen runterkriegt, mit einem Mountainbike belohnt wird.
Den Turnunterricht sponsort adidas. Allerdings wird wenig geturnt. Denn weil wir Geld für die Renovierung des Chemiesaals benötigten, haben wir auch Lucky Strike reingelassen. Manche Eltern haben sich beschwert. Aber die sollen doch froh sein, wenn ihre Kinder schon frühzeitig an die Zigarette herangeführt werden. Besser als Haschisch-Joints ist das allemal. Wir hätten ja auch das Angebot der Russenmafia annehmen können. Die hatten satte zehn Prozent mehr geboten. Aber wer mag schon jeden Tag die Heroinleichen von der Schülertoilette holen?
Wie auch immer. Ich bin mit diesen neuen Wegen, die wir in unserer Schule beschritten haben, sehr zufrieden. Es ist sogar irgendwie angenehm, daß man jetzt alle fünf Minuten eine kleine Pause während seines Unterrichts hat, wenn der Werbeblock eingeschoben wird. Außerdem hat mir Wüstenrot, nachdem ich allen Abc- Kläßlern einen Bausparvertrag verkaufen konnte, als Sonderprämie einen billigen Kredit zum Ausbau unseres Dachgeschosses in Aussicht gestellt. Vom Bonner Finanzministerium wird unsere Schule als beispielhaftes Projekt für alle Bildungseinrichtungen empfohlen. Das Bundeskabinett hat uns öffentlich gelobt und sieht in unserer steuersparenden Selbstfinanzierung den richtigen Weg beschritten, der es ermöglicht, daß der Fuhrpark der Bundesregierung auch nächstes Jahr vollständig erneuert werden kann.
Ein bißchen skeptisch bin ich allerdings, ob wir damit durchkommen, daß wir im Eingangsbereich den Sexshop von Beate Uhse genehmigt haben. Das Kollegium meint zwar, als begleitende Maßnahme zum Sexualunterricht wäre das eine gute Sache. Allerdings will der ewiggestrige Elternbeirat den Hardcore-Videoverleih gerne wieder gestrichen sehen. Aber das wird schwer zu machen sein, denn wir sind da mit guten fünfzig Prozent Umsatzbeteiligung dabei. Und ein neues Ledersofa fürs Lehrerzimmer könnten wir dringend gebrauchen. Nane Jürgensen
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