piwik no script img

„Kein Fehlverhalten“

■ Aktuelle Stunde zum Sachsenhausen- Prozeß im Potsdamer Landtag

Potsdam (taz) – Die Ermittlungspannen nach dem Brandanschlag auf das ehemalige Konzentrationslager in Sachsenhausen beschäftigten gestern den brandenburgischen Landtag in einer aktuellen Stunde. Pflichtgemäß nahm der für die Potsdamer Staatsanwaltschaft verantwortliche Justizminister Hans Otto Bräutigam die Behörde in Schutz. Es habe „kein Fehlverhalten der Polizei und der Staatsanwaltschaft gegeben“, meinte er. Gleichzeitig kündigte er jedoch an, „das Ermittlungsverfahren noch einmal in allen Einzelheiten“ überprüfen zu lassen. Zudem hätte er sich gewünscht, daß das „Verfahren konzentrierter und mit mehr Entschiedenheit“ geführt worden wäre.

Der Vorsitzende des Zentralrates der Juden, Ignatz Bubis, hatte, nachdem vor knapp zwei Wochen die beiden Hauptangeklagten freigesprochen worden waren, von einem „unverständlichen Urteil“ gesprochen und die Ermittlungstätigkeit heftig kritisiert. Der CDU- Abgeordnete Frank Werner griff in der aktuellen Stunde diesen Vorwurf auf. Werner warf dem Justizminister vor, „daß die Ermittlungen aufgrund der politischen Brisanz des Vorfalls unter ziemlich hohem Erfolgsdruck geführt wurden, um schnell zu einer Anklageschrift zu kommen“. Der CDU- Mann kritisierte, daß die Anklage und ein vorliegendes Brandgutachten sich offensichtlich widersprechen würden. Eine „intensivere Ermittlung der Beweislage“ hätte die Anklageschrift „sicherer machen können“.

Alle Redner verurteilten das Verhalten des ermittelnden Staatsanwaltes Robert Lenz, der kurz vor Prozeßbeginn in den Urlaub gefahren war. Der Justizminister meinte, „dafür fehlt mir jegliches Verständnis“. Schon am Vortag hatte Bräutigam in einer Sondersitzung dem Rechtsausschuß Rapport geleistet. Ein Antrag der Bündnis-Fraktion, die Sitzung öffentlich abzuhalten, wurde mit großer Mehrheit abgelehnt. Nach der Sitzung hielt nur mehr die CDU ihre Kritik an den Ermittlungsbehörden aufrecht. Anja Sprogies

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen