: Kein Asyl für Verweigerer und Deserteure
In Münster demonstrierten am Wochenende Friedensaktivisten für eine asylrechtliche Relevanz von Kriegsdienstverweigerung. Bisher werden Verweigerer in Deutschland nur geduldet
MÜNSTER taz ■ Mitten in der hektischen Einkaufsatmosphäre am Samstag Mittag stehen in Münster vor dem Rathaus ein paar Menschen, um gegen den Militär- und Kriegsdienst zu demonstrieren.
„Geht nicht zum Militär“ steht auf ihren T-Shirts, darunter eine stilisierte Taube und ein zerbrochenes Gewehr. Fahnen werden geschwenkt, eifrige Helfer verteilen Flugblätter und Zeitungen an die Menschen, die sich bei ihrer Einkaufstour von den Friedensaktivisten stören lassen. Auf Plakaten und Transparenten steht „No war nowhere“ und „Just say no“. Die Gruppe besteht hauptsächlich aus türkischen, kurdischen und deutschen Demonstranten. Die meisten von ihnen sind Deserteure oder Kriegsdienstverweigerer. Sie haben sich anlässlich des internationalen Tags der Kriegsdienstverweigerer versammelt, um für ein Asylrecht für Deserteure und Kriegsdienstverweigerer in Deutschland zu demonstrieren.
Auch ein paar Studenten mit langen Haaren und Cordhosen haben sich der Demonstration angeschlossen. Organisiert wird die Demonstration unter anderen von Pro Asyl, der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte Kriegsgegnerinnen und der Graswurzelrevolution. „In der Türkei kann man den Kriegsdienst nicht verweigern“, erklärt der Veranstalter Bernd Drücke. „In der türkischen Sprache gibt es noch nicht mal ein Wort dafür“. In der Türkei werden Kriegsdienstverweigerer inhaftiert. Nach ihrer Freilassung werden sie aufgefordert den Dienst anzutreten. Wenn sie das nicht tun, werden sie wieder inhaftiert. „So kann man auf Lebenslänglich kommen“, sagt Drücke. Diese Verfolgung ist in Deutschland, wie auch in anderen EU-Ländern, nicht asylrelevant. „Das ist ein Skandal“, sagt Drücke und fordert das „Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung“.
Rudi Friedrich von Connection e.V. bedauert, dass ausländische Kriegsdienstverweigerer in Deutschland oft nur eine Duldung erhalten, „denn Duldung ist keine Perspektive. Das ist ein unwürdiges Leben, staatlich verordnet“. Während die Demonstranten gelassen ihre Fahnen schwenken, gehen bei einigen Senioren die Emotionen hoch. „Die ganzen Ausländer sollen doch alle dahin gehen wo sie herkommen, alles Verbrecher,“ empört sich eine ältere Frau. „Am Krieg kommt man doch eh nicht vorbei“, sagt ein Mann. „Aber es muss das letzte Mittel sein“, mischt sich eine Seniorin ein.
Viele Passanten werfen nur einen kurzen Blick auf die Flugblätter, einige bleiben stehen und hören den Reden der verschiedenen Referenten zu. Als die Beiträge beendet sind, zieht die kleine Gruppe unter immer lauteren „Geht nicht zum Militär“-Rufen zum türkischen Konsulat, vor dem die Abschlusskundgebung statt findet.
Auch Hayrneddin Akan beteiligt sich an der Demonstration. Er hat in der Türkei den Kriegsdienst verweigert und ist seit 1996 Asylbewerber in Deutschland. Bei einer Abschiebung in die Türkei drohen ihm bis zu fünf Jahre Haft. Friedrich bewundert die ausländischen Kriegsdienstverweigerer: „Die Verweigerung erfordert höchsten Mut, angesichts der drohenden Repressionen.“ Doch nicht nur für das Asylrecht für Deserteure wird demonstriert. „Die Wehrpflicht muss abgeschafft werden, wir brauchen keine Bundeswehr“, fordert Friedrich. Drücke geht sogar noch einen Schritt weiter. „Wir demonstrieren gegen jeden Zwangsdienst. Denn auch ein Zivildienstleistender im Krankenhaus unterstützt im Kriegsfall das Militär“, sagt er. Deshalb fordert er: „Lasst uns nicht das Öl, sondern der Sand im Getriebe der Kriegsmaschinerie sein“. LEONIE LYDORF