Kein Andrang auf Praxen: Schweinegrippewelle rollt zurück
Die Zahl der neuen Grippefälle schrumpft und Berlin bleibt erstmal auf dem Impfstoff sitzen. Macht aber nichts, sagt die Senatsverwaltung. Vielleicht komme der Virus schon bald wieder.
In der Arztpraxis von Anton Riether in Tiergarten herrscht kurz vor Weihnachten kein großer Andrang mehr. Immer weniger Berliner wollen sich bei ihm gegen die Schweinegrippe impfen lassen. Riether sagt: "Der halbe Winter ist um und die Leute denken, sie haben das Meiste überstanden." Tatsächlich gehen die H1N1-Neuinfektionen nach Informationen des Robert-Koch-Instituts seit drei Wochen zurück. Aber erst vor ein paar Tagen ist der Impfstoff für Schwangere bei den Ärzten angekommen.
Von dem verträglicheren Mittel ohne Wirkungsverstärker sind 6.300 Dosen an gynäkologische Arztpraxen ausgeliefert worden. Bei Stefania Kilavuz in Charlottenburg-Wilmersdorf kommt er gut an: "Viele Frauen haben darauf gewartet", sagt die Gynäkologin. Für die Impfungen herrsche bei ihr "moderater Andrang". Das sei bei Schwangeren wie bei allen anderen: "Man ist entweder voll dafür oder voll dagegen."
Trotz der rückläufigen Erkrankungszahlen lagern in der St. Hubertus Apotheke in Schöneberg noch rund 280.000 Dosen des Impfstoffs Pandemrix. Das sind etwa genau so viele, wie seit Anfang November an die Berliner Arztpraxen ausgeliefert wurden. Marie-Luise Dittmar, Sprecherin der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz, sagt: "Der Impfstoff ist zwei Jahre haltbar und wir müssen das Angebot aufrecht erhalten." Man wisse nicht, ob noch eine zweite oder dritte Grippewelle kommt. In der nächsten Zeit werden weitere 80.000 bis 90.000 Dosen pro Woche angeliefert.
Der Überfluss an Impfdosen ist allerdings ein Versehen: Die Bundesländer gingen zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit dem Pharmakonzern GlaxoSmithKline noch von anderen medizinischen Erkenntnissen aus. Nach damaligem Wissensstand waren zwei Impfungen pro Person zur vollständigen Immunisierung nötig. Doch die Antikörperbildung funktionierte besser als erwartet, so war nur noch die Hälfte der bestellten Menge Pandemrix nötig. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Heidi Kosche, hält die Planung der Bundesländer für seriös: "Das war aus damaliger Sicht gesehen eine relativ überlegte Bestellung."
Seit Juni diesen Jahres sind 7.928 Berliner an der Schweinegrippe erkrankt. Nun gibt es immer weniger Neuinfektionen. Susanne Glasmacher. die Sprecherin des Robert-Koch-Instituts, erklärt: "Das ist der generelle Ablauf einer Erkrankunswelle. Der Scheitelpunkt ist überschritten." Das habe möglicherweise damit zu tun, dass genug Menschen immunisiert seien. "Das Virus findet nicht mehr genügend kritische Masse."
Die Senatsverwaltung für Gesundheit zählt die labordiagnostisch bestätigten Influenza-Fälle: In der 50. Kalenderwoche waren das noch 416 neu festgestellte Erkrankungen, die Woche zuvor gab es 771 Fälle. Das Robert-Koch-Institut (RKI) relativiert diese Zahlen. Die Zahlen des Senats seien deshalb nicht repräsentativ, weil nur sehr wenige Menschen getestet würden, sagt Glasmacher. "Nur bei einem ungewöhnlichen Krankheitsverlauf wird noch getestet." Trotzdem geht auch das RKI von einem Rückgang der Schweinegrippe-Erkrankungen aus.
Die Berliner erkranken also immer seltener an der vor kurzem noch so gefürchteten Schweinegrippe. Vielleicht wiegen sie sich auch in Sicherheit - Impfstoff ist ja genug da.
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