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Kaum geologische Risiken bei Stuttgart 21Kleine Risiken beim Mineralwasser

Geologische Risiken sind bei Stuttgart 21 vernachlässigbar, dazu kommt ein Gutachten. Auch die Mineralwasserquellen sind wohl nicht gefährdet. Kleine Risiken bleiben bestehen.

Demo gegen Stuttgart 21, fotografiert am 9.September. Bild: dpa

STUTTGART taz | Die geologischen Risiken für die Tunnelbauten des Bahnprojekts Stuttgart 21 sind laut einem Experten der Projektträger zu vernachlässigen. Das Problem der Tunnelarbeiten ergibt sich vor allem aus dem hohen Anteil des Materials Gipskeuper im Stuttgarter Untergrund. Kommt dieses mit Wasser in Verbindung, quillt es auf. "Wir werden dieses verhindern", sagte Ingenieur Walter Wittke für die Projektträger am Samstag in der sechsten Schlichtungsrunde zu dem Bauvorhaben. Er wies darauf hin, dass der Boden umfangreich erkundet worden sei. So seien für das Gesamtprojekt Stuttgart 21 etwa 1.500 Bohrungen durchgeführt worden.

Auf der Seite der Projektgegner argumentierte Geologe Jakob Sierig jedoch, dass es bislang noch nie gelungen sei, einmal begonnene Quellungen zu stoppen. In einem solchen Fall würden für entsprechende Gegenmaßnahmen hohe Zusatzkosten fällig.

Ein weiteres Thema war die mögliche Gefährdung der Mineralwasservorkommen, von denen Stuttgart europaweit am zweitmeisten hat. Ingenieur Walter Lächler erklärte, dass die Tunnelbauten das Mineralwasser nicht berührten. Allerdings konnte die Bahn nicht von sich weisen, dass es - wenn auch kleine - Risiken gibt. Dabei hatte Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) angekündigt, die Stadt würde bei einer solchen Gefahr aus dem Projekt aussteigen. Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) warb deshalb noch einmal für den Erhalt des Kopfbahnhofs: "Wenn man das Risiko vermeiden kann, sollte man nicht im Untergrund rumbohren."

Zahlenmäßig die besseren Argumente hatten die Gegner am Samstag auf Stuttgarts Straßen. Während die Polizei bei einer "Pro S 21"-Demonstration von 1.500 Teilnehmern sprach, ging sie auf der Demo gegen den Tiefbahnhof von 10.000 aus.

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9 Kommentare

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  • A
    Anna

    Würde das Risiko irgendeine Versicherung auf sich nehmen? Ingenieure und Mathematiker könnten das Risiko in Zahlen darstellen. Ist das Risiko 1 zu 1000 oder 1 zu 1000000? Wie hoch sind die Kosten, wenn der Gips doch quillt? Wenn das Mineralwasser doch versiegt? Wenn es keine Versicherung gibt, die dieses Risiko eingehen würde, kann man davon ausgehen, dass es zu riskant ist. Die Aussage "klein" sagt, bei einem Risiko, dass zu einer Katastrophe für Stuttgart führen kann, überhaupt nichts aus! Kann da vielleicht mal ein Journalist nachfragen, was mit "klein" gemeint ist? Wenn man die Katastrophe nicht ausschließen kann, muss man das Projekt stoppen, zumal es keine Notwendigkeit gibt, es gibt einen (erweiterbaren und modernisierbaren) Bahnhof in Stuttgart. Warum sagt jezt Herr Schuster wieder nichts und bricht schon wieder sein Wort, wie damal 2007 als der die Bürgerbefragung trotz Versprechen nicht zugelassen hat.

  • A
    andrea

    es ist ein ganz grosses risiko die bahn spielt es nur runter. warum ist der architekt frei-otto ausgestiegen er sagte das sei zu gefährlich und so jemanden sollte mann glauben schenken. und nicht von so gekauften leuten von der bahn.

    bei dieser schlichtung wollte die bahn nur punkten ich glaube das geht in die hose.

    die wollen so schnell wie möglich an die börse und kapietal einheimsen.

    und

    sowas darf mann nicht zu lassen.

    oben bleiben und köpfchen zeigen

  • V
    vitruvius

    Die Titelzeile zu den geologischen Risiken

    "Kleine Risiken ... " ist unverantwortlich.

     

    Die Risiken sind allgemein bekannt und treten auch mit hoher Wahrscheinlichkeit ein.

     

    Es ist ja nicht nur das Mineralwasser und der Gipskeuper, auch die Warnung des Beteiligten Frei Otto, dass der Trog aufschwimmt wird missachtet.

     

    Darüber hinaus wird von den Planern mit voller Absicht das Vorhandensein von Gründung mit Eichenpfählen verneint, die im Wasser bleiben müssen, weil sie sonst zerfallen und nicht mehr als Fundament dienen können. Der Fall der Kirche in Köln (kurz vor dem Zusammenbruch des Archivs stand plötzlich ein Kirchturm schief wie in Pisa) scheint schon vergessen zu sein.

     

    Interessant ist auch, dass der Auftrag für die Wasserhaltung direkt oder indirekt an die gleichen Firmen ging wie in Köln.

  • F
    Fritz

    Wieso der Artikel den Standpunkt der S21-Befürworter in den Rang einer Tatsache erhebt, ist mir schleierhaft: "Kleine Risiken beim Mineralwasser". Ich hätte da eine deutliche Trennung zwischen Tatsachen und Bewertungen seitens der Taz erwartet. Dreht sich doch gerade in diesem Punkt der Ökologie alles um dieses Problem: Ökologische Risiken sind kaum quantifizierbar und damit für den technikgläubigen Menschen nicht vorhanden. Und wenn es dann schief geht, wie in Staufen, oder Köln dann heißt es: Konnte man nicht voraussehen, das ist nicht unsere Schuld.

    In Stuttgart haben beim letzten Schlichtungsgepsräch die Befürworter genau so argumentiert: Das Risiko ist minimal, deswegen vernachlässigenswert. Ob AKWs, Geothermie- und Tunnelbohrungen, U-Bahn-Bauten oder Finanzgeschäfte: kaum einer kann sich die Risiken vorstellen. Und tatsächlich: Zukfüntiges kann der Mensch kaum denken, dazu fehlt ihm die Fantasie. Doch könnte er aus der Vergangenheit lernen, und da lautet die schlichte Tatsache: Bisher war die Mehrzahl der den Stuttgarten Verhältnissen vergleichbaren Tunnelbohrungen mit Komplikationen verbunden, mit Mehrkosten und Behinderungen also.

    Diese Tatsache wurde auch auf den Schlichtungsgesprächen vorgetragen - es ist bedauerlich, dass die TAZ auf diesem Ohr nicht so gut hört.

  • K
    Karl

    Das ist doch so merh eine pauschale Feststellung denn eine seriöse geologische Bewertung.

     

    Wie genau sind den die Erkundungsdaten aufgelöst?

     

    Zudem ist beim Gipskeuper immer zu beachten das auch veränderte Auflast zwar ein Quellen einschränken kann, aber auch das verhindert langfristig nicht die Lösung und Subrosion des GK.

     

    Ist die Bauwerksgründung eigentlich geeignet solche Lastwechsel abzufangen?

     

    Glück auf!

     

    Karl

  • T
    tystie

    Am Samstag wurde deutlich, dass der Untergrund rund um Stuttgart für die Anlage eines atomaren Endlagers vermutlich ungeeignet ist.

    Es wurde aber auch deutlich, dass beim Sicherheitskonzept des Tiefbahnhofs und der anschließenden Tunnel erhebliche Lücken auftreten und insbesondere Bedenken Stuttgarter Behörden des Katastrophenschutzes bei der Planfestsellung ignoriert wurden.

    Obwohl die S21-Gegener keineswegs besonders ungünstige Szenarien zur Diskussion stellten, gerieten die Bahnvertreter deutlich aus der Fassung. Interessant auch das Detail, dass Fahrgäste bei einem Brand im Bahnhof durch 1.200 °C heiße Brandgase flüchten sollen.

    Na denn!

  • UB
    Ulrike Braun

    Leider hat Ihre Reporterin nicht alles getreulich reportiert - was womöglich auch kein Wunder ist, da, wie ja vielleicht hätte auffalen können, der Löwenanteil an Redezeit diesmal den Befürwortern vorbehalten war. Klar wurde jedoch, dass die geologischen Risiken lediglich als "beherrschbar" bezeichnet wurden. Und hier sollte man doch hellhörig werden? Denn "beherrschbar", so wurde ja immerhin auch die Tiefseebohrungen im Golf von Mexiko deklariert. Die Folgen sind inzwischen bekannt.

     

    Und eben so argumentierte ja auch der Gegnerexperte Sierig: "Beherrschbar" im Ingenieursslang heißt nichts anderes, als dass womöglich auftretende Probleme zwar gelöst werden können, aber ggf. mit einem unübersehbaren technischen und finanziellen Aufwand. Staufen lässt grüßen. Der Golf ebenso.

     

    Schade, daß Frau Michel dies nicht erwähnenswert fand.

  • S
    Sebastian

    Na das hört sich doch gut an :-)

  • OB
    Oben Bleiber

    von kleinen Risiken kann erst dann die Rede sein, wenn die Öffentlichkeit das geheimgehaltene Geologiegutachten sehen darf, und nicht wie von der Bahn vorgeschlagen, in einem abhörsicheren Keller in Frankfurt in dem man sich keine Notizen machen darf und jeder der Einsicht bekommt einen Vertrag unterschreiben muss, der Ihn zu 30 Jahre Verschwiegenheit und 500 000 Euro Strafe verpflichtet, wenn darüber öffentlich berichtet wird.

    Da kann wohl kaum von kleinen Risiken die Rede sein, die Risiken sind derart hoch, das man den Bietern der Ausschreibung diese Verheimlichen möchte, denn sonst würde NIEMAND ein solches Bauvorhaben angehen.

    (war bei den entsprechenen Gesprächen live im Rathaus!)