Katrin Seddig Fremd und befremdlich: In Hamburg beginnt die Klimawoche, das interessiert aber nicht die Richtigen
In Hamburg findet jetzt die Klimawoche statt, und das finde ich ganz schön. Es ist so was wie die Apfelwoche oder die Kohltage, wie die Rosentage in Buckow, die Theaterwoche in Korbach, die Literaturwoche auf Sylt, jede Menge Kurzfilm- und Sportwochen, und dazwischen Wochen ohne jeglichen Anlass. Diese Wochen fließen still dahin, ohne ein Stein des Anstoßes zu sein, ohne feierlich oder belehrend auf uns Menschen einzuwirken. Aber nun gibt es in Hamburg die Klimawoche. Klima ist eine wichtige Sache. Wir alle sind Betroffene, selbst der SUV-Fahrer oder der Vielflieger, ohne Klima mögen auch sie nicht sein. Klima ist genauso wertvoll wie Kohl oder Äpfel oder Literatur .
Die Klimawoche ist bereits die zehnte ihrer Art und das größte Klima-Kommunikationsevent in Europa. Alle, die sich um das Klima sorgen, sind dabei. Als allererster Fürst Albert II. von Monaco, der als engagierter Schützer von Walen und Träger des Umweltpreises Champions of Earth Award prädestiniert ist, Schirmherr der Veranstaltung zu sein. Man hätte auch einen der jungen Menschen aus dem Hambacher Forst nehmen können, aber das ist nur meine persönliche Meinung. 200 Unternehmen, Organisationen und Verbände nehmen teil, mit sehr unterschiedlichen Veranstaltungen und Vorträgen in ganz Hamburg und dem Hamburger Vorort Timmendorfer Strand.
Die Menschen sehen es unterschiedlich. Viele wollen das Klima schon gerne retten, aber ohne sich selbst einzuschränken. Das ist auch dem Veranstalter wichtig: „Dabei geht es nicht um Einschränkungen im Alltag …“ Das steht so in der Presseerklärung. Und das ist auch gut so. Denn Einschränkungen im Alltag verleiden einem jede Art von Klimaschutz. Zumal man gar nicht genau weiß, ob es überhaupt sein muss. Es gibt ja noch die, die in den Leserkommentaren des NDR sagen: „Hamburg hat sein eigenes Klima, da brauchen wir keine PR-Veranstaltungen, welche wieder nur Steuergelder fressen. Und für alle, die es vergessen haben, es gibt keinen Klimawandel, nur einen Austausch der Polkappen und ein zyklisch bedingte beginnende Eiszeit. Mit der Panikmache zum vermeintlichen Klimawandel durch Menschenhand wird nur richtig Geld gescheffelt.“
Tja. Hamburg hat sein eigenes Klima. Und die an den Klimawandel glauben, die haben nur vergessen, dass es ihn gar nicht gibt. Und die, die in ihrem Alltag Einschränkungen in Kauf nehmen und nicht fliegen oder keine Autos fahren oder regionale Bio-Produkte kaufen, diese Verzicht-Übenden also, mit denen wird richtig Geld gescheffelt. Irgendwie. Man weiß es nicht so genau.
Aber egal, es ist eine schöne Klimawoche. Es gibt sehr interessante und vielfältige Veranstaltungen „aus der Mitte der Gesellschaft“ (Presseerklärung Klimawoche). Es gibt „Nachhaltigkeit zum Anfassen“, kreatives Kinderprogramm mit Unterwasserklängen, Fahrradtouren, Kleidertauschparty in den Bücherhallen, Upcycling von Büchern, eine Hofführung auf dem Gut Wulfsdorf, Ausstellungen, Podiumsdiskussionen, Performances, Poetry-Slams, Filmvorführungen, Gottesdienste, und sogar eine App, alles im Rahmen der Klimawoche. Wenn man sich informieren will, dann kann man das hier. Wenn man interessante Dinge lernen will, sich unterhalten lassen will, nette, ähnlich interessierte und ausgerichtete Leute aus der „Mitte der Gesellschaft“ treffen will, dann kann man das auf solchen Veranstaltungen.
Mich interessiert einiges. Ich weiß nicht, ob ich „aus der Mitte der Gesellschaft“ bin oder mehr vom Rand, aber mich interessiert die eine oder andere Veranstaltung. Vor allem interessiert mich aber, warum die meisten Menschen das überhaupt nicht interessiert. Wie man die Regierungen erreicht und die Firmenchefs, die Verantwortlichen, die Verschwender, die Unmoralischen. Aber die werden wir leider auf der Klimawoche nicht treffen. Sie werden sich nicht den neuesten Dokumentarfilm über den Einfluss der industriellen Tierhaltung auf den Klimawandel angucken. Glaube ich jedenfalls.
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