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Kati Wilhelm gewinnt in SüdkoreaGlänzend im Morast

Kati Wilhelm gewinnt Gold und Silber bei der Biathlon-WM. Die drittplazierte Russin lächelt den Dopingskandal in ihrem Team einfach weg und will niemanden verurteilen.

Das Ziel vor Augen: Die Biathletin Kati Wilhelm holt in Südkorea Gold und Silber. Bild: dpa

PYEONCHANG taz Den kritischsten Moment hatte Kati Wilhelm gestern zur Abwechslung schon vor dem Start überstanden. Zwei Stunden vor dem weltmeisterlichen Verfolgungsrennen ging in dem Gebäude am Biathlon-Stadion von Pyeongchang ein Schuss los, der nicht vorgesehen war. Abgefeuert hatte ihn Wilhelms Teamkollegin Andrea Henkel - weil sie beim Trockenschießen aus Versehen zu einem Magazin gegriffen hatte, das nur vermeintlich leer war. "Ich war mit im Raum, und es war lauter als sonst", berichtete die 32-jährige Wilhelm, die den Schaden sofort inspiziert hatte: "Ein glatter Durchschuss - und hinter der Wand ist ein Gang. Das kann richtig böse ausgehen."

Henkels persönlicher Schutzengel sorgte immerhin dafür, dass in dem Moment niemand über den Flur spazierte. Verletzte oder Tote gab es nicht, gesperrt wurde die nachlässige Titelverteidigerin, tags zuvor im Sprint Sechste, vom Weltverband (IBU) für die Verfolgung trotzdem. Und die aufregende Episode kurz vor dem Start passte zum allgemeinen WM-Chaos aus Wetterkapriolen, überforderten Gastgebern, peinlich leeren Zuschauerrängen und nächtens flüchtenden Dopingsündern. Gestern vollführte Magdalena Neuner bei der letzten Abfahrt auch noch einen spektakulären Sturz, fiel nach ihrem achten Platz im Sprint auf Rang elf zurück.

Bei blauen Flecken hilft Arnika, Kati Wilhelm dagegen kündigte nach ihrem Sieg im Sprint und dem zweiten Platz in der Verfolgung hinter der Schwedin Helena Jonsson erfreulichere Pläne für den Sonntagabend an. "Ein Gläschen Wein muss jetzt schon sein." Der Erfolg am Samstag war Wilhelms erster Einzeltitel bei einer WM seit 2001.

Bei der Siegerehrung ging ihr dagegen alles ein bisschen hopplahopp. "Außerdem", mäkelte Wilhelm, "hatte ich schon die Blumen in der Hand, als sie mir die Goldmedaille um den Hals gehängt haben." Vernichtendes Fazit: "Das war alles überhaupt nicht durchorganisiert." Letztlich sind dies aber Kleinigkeiten im Vergleich zum abgrundtiefen Dopingmorast, der sich im Land der Skijäger aktuell auftut.

Am Samstag stand neben Wilhelm nicht nur Silbermedaillengewinnerin Simone Hauswald auf dem Treppchen - die Schwäbin mit den südkoreanischen Wurzeln, die den größten Erfolg ihrer Karriere, erzielt in ihrer zweiten Heimat, als "irrwitzig" bezeichnete. Sondern auch die Drittplatzierte Olga Saitsewa, die in der Verfolgung gestern erneut Bronze holte. Aus unerfindlichen Gründen lachte die Russin bei der Frage nach ihren gedopten Team-Kollegen Ekaterina Jurjewa, Albina Achatowa und Dmitri Jaroschenko unentwegt, ehe sie sich zu einem dürren Statement ("Ich bin davon betroffen, aber ich kann sie nicht verurteilen") aufraffte.

Weltmeisterin Wilhelm war bei so viel demonstrativer Ignoranz schon froh, "dass sie es nicht gemacht hat wie die Russinnen in Turin". Widmete das russische Quartett den Staffelsieg bei Olympia 2006 doch der frisch des Dopings überführten Olga Pylewa, die nach zweijähriger Sperre nun als verheiratete Frau Medwedzewa bei der WM startet. Die Wortführerin hieß damals Albina Achatowa - jene frisch entlarvte Dopingsünderin, über die die Kollegin Jurjewa, Jaroschenko gleich mit einschließend, im russischen Fernsehen nun mitteilte: "Ich habe ein reines Gewissen. Und nicht nur ich, sondern die anderen auch." Den schwarzen Peter bekommen stattdessen die Team-Ärzte zugeschoben. Als "starken Tobak" empfand es Kati Wilhelm zudem, dass der Russe Maxim Tschudow in seinem Internetblog schrieb, auch Biathleten anderer Nationen, darunter die Deutschen, würden sich "nicht nur mit Würstchen stärken".

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