Katholische Kirche unterliegt vor Gericht: Entschädigung wegen Hasssprache
Die Erzdiözese Kattowitz muss Entschädigung zahlen. Ihr Kirchenblatt hatte eine Frau, die aus Gesundheitsgründen abtreiben lassen wollte, mit KZ-Mördern in Auschwitz verglichen.
WARSCHAU taz | Dass eine Polin es wagen würde, die katholische Kirche vor Gericht zu bringen, hatte in Polen für höchste Aufregung gesorgt. Dass Alicja Tysiac nun aber ihren Beleidigungsprozess gegen die Erzdiözese in Kattowitz gewonnen hat, löste in Polen heftige Diskussionen aus. Dürfen Priester eine Frau "Mörderin" nennen, wenn diese ihr Leben und ihre Gesundheit retten will und daher eine Schwangerschaft abbrechen muss? Der polnische Gesetzgeber gesteht dieses Recht jeder Frau zu.
Das Bezirksgericht in Kattowitz urteilte, dass Katholiken Abtreibung allgemein "Mord" nennen dürften. Dies sei durch das Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt. Sie dürften allerdings keine Frau "Mörderin" nennen oder sie bezichtigen, sie habe "ihr Kind töten wollen", wenn die Frau vom Recht auf Schutz des eigenen Lebens Gebrauch machen wolle.
Die Richterin befand das Diözesanblatt Der Sonntagsgast für schuldig, sich der "Hasssprache" bedient zu haben. Der Chefredakteur sowie die Diözese Kattowitz als Herausgeber müssen den von der Klägerin formulierten Entschuldigungstext veröffentlichen und sich vom Vergleich Tysiac mit den KZ-Mördern von Auschwitz distanzieren. Zudem muss die Diözese der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von umgerechnet 7.500 Euro zahlen.
Augenärzte hatten der schwer sehbehinderten Alicja Tysiac nach der Geburt ihres zweiten Kindes gesagt, dass sie bei einer dritten Geburt ihr Augenlicht völlig verlieren könnte. Als Tysiac wieder schwanger wurde, zerriss der Gynäkologe, der den Abbruch durchführen sollte, die Überweisung des Kollegen. Er berief sich auf sein gutes katholisches Gewissen. Bei der Geburt löste sich die Netzhaut, so dass Tysiac fast völlig erblindete.
Sie verklagte den polnischen Staat vor dem Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg. Dieser verurteilte Polens Regierung zu einer hohen Entschädigung und forderte sie auf, den polnischen Frauen die Möglichkeit zu geben, das Recht auf Schutz von Leben und Gesundheit auch in Anspruch zu nehmen.
Zurück in Polen ergoss sich über Tysiac eine hämische Artikelflut. Im Sonntagsgast publizierten Priester Bilder von SS-Männern, wie sie sich "nach getaner Arbeit" im deutschen KZ Auschwitz in Liegestühlen räkelten. In einem weiteren Artikel hieß es: "So wie Juden aus dem Ghetto freigekauft wurden, so müssen wir heute (…) ungeborene Kinder freikaufen und ihnen das Leben retten."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis