piwik no script img

Katholische Kirche in IrlandKardinal deckte pädophilen Priester

Hunderte sexuelle Übergriffe eines katholischen Priesters wurden von Kardinal Brady vertuscht. Dafür soll Brady angeklagt werden, fordern die Opfer.

Kardinal Seán Brady unternahm nichts, um einen Pfarrer, der 40 Jahre lang Kinder missbrauchte, zu stoppen. Bild: dapd

DUBLIN taz | Wenn er im Fernsehen auftritt, wirkt er unsympathisch und arrogant. Das ist Seán Brady auch. Er ist Kardinal und höchster Würdenträger der katholischen Kirche Irlands. Forderungen nach seinem Rücktritt wischt er lässig vom Tisch. Dabei hätte er allen Grund, sein Amt zur Verfügung zu stellen.

Die BBC hat jetzt aufgedeckt, dass Brady im Jahr 1975, als er noch einfacher Pfarrer war, von dem damals 14-jährigen Brendan Boland über die Machenschaften des pädokriminellen Pfarrers Brendan Smyth informiert worden war. Boland gab Brady die Namen von fünf weiteren Jugendlichen, die ebenfalls von Smyth vergewaltigt worden waren.

Brady unternahm so gut wie nichts: Die Polizei wurde nicht informiert, den Eltern der sechs Jungen sagte man ebenfalls nichts, und Brady schärfte den Jungen ein, nur mit „autorisierten Priestern“ über die Vorfälle zu sprechen. Smyth durfte vorübergehend keine Messe lesen und keine Beichte abnehmen, aber Bischof Francis McKiernan hob das Verbot schon bald wieder auf.

Wenn sich Smyth’ verbrecherische Aktivitäten nicht mehr verheimlichen ließen, wurde er in eine andere Gemeinde versetzt. So trieb er 40 Jahre lang sein Unwesen in Dublin, Belfast und in den USA, die Zahl seiner Opfer geht in die Hunderte. Zuletzt schickte man ihn an ein Kinderkrankenhaus im südirischen Cork.

Staatsanwalt reagierte nicht

Eine unrühmliche Rolle in dieser Angelegenheit spielte auch der damalige irische Generalstaatsanwalt Harry Whelehan, ein katholischer Fundamentalist. Als die nordirische Polizei 1994 einen Auslieferungsantrag für Smyth stellte, dauerte es sieben Monate, bis Whelehan reagierte – sieben Monate, in denen Smyth weiterhin Kinder im Krankenhaus sexuell belästigen konnte. Dann wurde er in Belfast schließlich zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Er starb 1997 im Gefängnis an einem Herzinfarkt.

Smyth war freilich kein Einzelfall, Irlands katholische Kirche ist 2010 durch zwei öffentliche Untersuchungen in ihren Grundfesten erschüttert worden. Im Mai 2010 hatte eine Kommission festgestellt, dass in katholischen Kinderheimen und Waisenhäusern 35.000 Kinder zwischen 1914 und 2000 von Priestern und Mönchen geschlagen, gequält und vergewaltigt wurden. Manche Pfarrer machten nicht mal vor Kinderhospitalen halt und vergingen sich an kranken Kindern.

Der zweite Bericht einer Untersuchungskommission unter Richterin Yvonne Murphy kurz vor Weihnachten war noch verheerender. Von ein paar schwarzen Schafen kann keine Rede sein. Nicht nur die katholische Hierarchie, sondern auch die Polizei hat den Missbrauch geduldet, totgeschwiegen, vertuscht und die Täter geschützt. Wie ein Verbrechersyndikat ging die Kirche über Leichen, um die Organisation zu schützen. Wie bei Smyth versetzte man die Täter in andere Gemeinden.

Helen McGonagle, eins von Smyth’ Opfern, will, dass Kardinal Brady zurücktritt. Smyth hatte die damals Sechsjährige und ihre Schwester in den USA missbraucht – obwohl Brady und die Kirche von seinen Taten wussten. McGonagle verlangt eine strafrechtliche Untersuchung. „Gegen Brady muss ermittelt werden, und wenn es Beweise gibt, muss er strafrechtlich verfolgt werden“, sagt sie.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • D
    Doro

    Zitat: „Irlands katholische Kirche ist 2010 durch zwei öffentliche Untersuchungen in ihren Grundfesten erschüttert worden. (…) Der zweite Bericht einer Untersuchungskommission unter Richterin Yvonne Murphy kurz vor Weihnachten war noch verheerender. Von ein paar schwarzen Schafen kann keine Rede sein. (…) Wie ein Verbrechersyndikat ging die Kirche über Leichen, um die Organisation zu schützen.“

     

    Ja, und?

     

    Hat das irgendwelche gesellschaftliche Konsequenzen? Bordet die Empörung über dieses „Verbrechersyndikat“ jetzt über? Führt diese ganze Verlogenheit und Skrupellosigkeit der RK jetzt endlich zu irgendwas?

     

    Nein, es geht alles weiter wie bisher.

     

    Und wenn irgendwann die Massenverbrechen an den Kindern in den so genannten Entwicklungsländern, in die diese Verbrecher jahrzehntelang von der RK „entsorgt“ wurden, aufgedeckt werden, werden wieder alle „erstaunt“ sein.

     

    Nachdem ich das Buch „Angeklagt: Der Papst“ des Menschenrechtsanwalts Geoffrey Robertson gelesen habe, bin ich überzeugt, dass der Deutsche Joseph Ratzinger nur aus einem einzigen Grund zum Papst gemacht wurde: Zur weiteren Sicherung der Organisation.

     

    Als Vorsitzender der Glaubenskongregation war er das Zentrum des Parallelsystems zur jahrzehntelangen Vertuschung der massenhaften Missbrauchsfälle in der RK. Seine „Verschiebung“ auf den Papststuhl ist eine taktische Maßnahme: auf diesem Posten ist Ratzinger (scheinbar) „immun“. Damit – so hoffte man – kann eine Anklage gegen ihn und damit letztlich das System Vatikan/RK abgewehrt werden.

     

    Andernfalls würde nach all dem, was nun von diesem „Verbrechersyndikat“ öffentlich geworden ist (nicht vergessen: innerhalb der RK ist das ja schon längst kein Geheimnis!), vielleicht ein Richter wagen, ein Strafverfahren gegen den Deutschen Joseph Ratzinger anzustrengen und die mafiösen Strukturen der „Kirche“ (nicht nur hinsichtlich des sexuellen Missbrauchs an Kindern) kämen endlich ans Licht. Gegen den Papst trauen sie sich das (noch) nicht.

     

    Derzeit wirkt noch allenthalben die 2.000-jährige Gehirnwäsche.

  • W
    Wolfgang

    Je mehr Licht in die Geschichte der Kirche kommt, umso dunkler wird sie.

     

    2000 Jahre Kriminalgeschichte des Christentums und die Gläubigen hängen immer noch zitternd vor Erregung an den Lippen ihrer Verkünder. Und ein Gott schweigt und wird immer schweigen, die Verbrechen der Kirchen werden nie gesühnt. Das ist ein Glaube, gell?

  • K
    kroete

    Es fällt immer leicht, eine Institution unter Generalverdacht zu stellen.

    Richtig ist, daß die sexuell abweichenden Herren, die bei Kirchens wohl zahlreich tätig sind, von höchster Stelle geschützt werden, tut sich hier auch ein Herr Ackermann bei uns wenig rühmlich hervor, in dem er pädosexuelle Kleriker weiterhin beschäftigt.

    Klerikale "Kinderfreunde" gehören in den Knast und in Therapie, ob ein gerechter Gott sie zur Hölle schicken wird, mögen diejenigen wünschen, die an dieses duale System glauben.

    Das selbstherrliche Bodenpersonal übergibt sie nicht einmal der Justiz, wo alle Anderen schnell und völlig zu Recht landen, abgesehen davon, daß die Betroffenen beruflich dann sowieso "tot" sind.

  • B
    bernhardfischer

    Es ist schon wichtig, auch den Blick ins Ausland zu wenden (Irland, NL, USA) – aber leider verwundert schon das inländische Schweigen

     

    Da spielen sich ähnliche Vorkommnisse z.B. der Täterverschiebung in der Trierer Diözese des Beauftragten für sexuellen Missbrauchs, Bischof Ackermann, ab (dort waren bis 2010 73 Missbrauchsfälle der hotline gemeldet worden)– Schafsbrief und MissBiT arbeiten an der Aufklärung - aber dennoch grötnenteils Schweigen.

     

    Ebenso bei der kirchenrechtlichen Verurteilung des Bamberger Domkapitulars (Ottonianum)

     

    oder wie in Regensburg Opfer abgefertigt werden

     

    oder dass sich die Bistümer gegen die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals durch das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen wehren ...

  • H
    H.P.

    Ein normaler Mensch würde sowas niemals decken. Wer weiß ob der nicht auch selber Dreck am Stecken hat. Vorstellen kann ich mir das sofort.

  • DB
    Dr. Birgit Reime

    Da sich diese Berichte aus aller Welt häufen (man mag gar nicht an die Situation von noch hilfloseren Kindern in afrikanischen oder asiatischen Heimen denken), ist es umso verwunderlicher, dass Anne Will, Wieland Backes und Co. immer noch katholische Repräsentanten einladen, um zu welchem Thema auch immer einen moralorientierten (!) Standpunkt abzugeben.

  • G
    gast

    ich glaub eine heuchlerische sexual moral treibt die menschen und ist ein sog für sexuelle perversionen. habe mal auf arte (bin mir nicht sicher ob es arte war) mal eine doku über baccha baazi (tanzjungen in afghanistan) gesehen. das geschäft mit den jungs blüht. männer die es sich leisten können kaufen sich diese tanzjungen die natürlich nicht nur tanzen sollen... ich glaube nicht dass so viele männer von natur aus pädophil/vergewaltiger sind. diese pathologische sexualstörung hat anscheinend ursachen-faktoren. auch islamisten sollten ja auch durch kinderpornos kommuniziert haben...

     

    dass die katholische kirche eine weibliche priesterin für unzüchtig hält (wie sexualisiert sind die denn??) aber einen vergewaltiger toll finden, decken und ihn auf reisen und kinderkrankenhäuser stecken.... dazu fällt mir nichts mehr ein. religion ist der herr im himmel für tod, krieg, (sexuelle) gewalt

  • T
    Teki

    Werte Leserin werter Leser man sollte diese Mitarbeiter der Katolischen kirche hart bestrafen und der Katolischen kirche ein verbot erteilen Kinderheime zubetreiben.Teki