Katharina Kohl und DG Reis über Kunst im Imbisswagen: "Wir wollen gerne alle mitnehmen"

Ein Imbisswagen mit Kunst drin - "Kunstimbiss" genannt - tourt seit fünf Jahren durch Hamburg und, gelegentlich, auch andere Städte. Der Zulauf ist enorm.

Verkaufen Kunst auf der Straße: Katharina Kohl und DG Reiß vom Kunstimbiss. Bild: Kunstimbiss

taz: Frau Kohl, Herr Reiß, "Kunst-Imbiss" klingt einerseits nach spannender Intervention, andererseits nach Mainstream. Was ist es nun?

Katharina Kohl: Genau diese Ambivalenz ist Teil des Projekts: Wir wollen beides abdecken und gerne alle mitnehmen, die unterwegs sind. Und dazu muss man etwas anbieten, das die Leute auf den ersten Blick erkennen. Auf den zweiten Blick können sie dann ja irritiert sein oder merken, dass das, was sie zuerst dachten, nicht stimmt. Das ist unsere Strategie: dass Kunst ganz einfach daher kommt.

DG Reiß: Wir wollen mit dem Gebilde Imbiss spielen und dabei durchaus irritieren: Erstmal sehen wir aus wie eine Frittenbude und locken die Leute. Dann bekommen sie Dinge zu sehen, mit denen sie nicht gerechnet haben.

Oder sie sind enttäuscht, weil die Fritten fehlen.

Reiß: Auch das kommt vor. Aber aus dieser Enttäuschung heraus, dass man hier nichts konsumieren kann, haben sich schon viele gute Gespräche entwickelt.

Kohl: Man ist dann sofort beim Thema "Was gibt es im öffentlichen Raum, was tut man dort"?

KATHARINA KOHL 54, lebt seit 1985 als freischaffende Malerin, Video- und Performance-Künstlerin in Hamburg und hatte von 2006 bis 2009 an der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften einen Lehrauftrag für Malerei.

Und was tun Sie dort?

Reiß: Wir präsentieren Werke von 100 Hamburger Künstlern, die von der Postkarte über kleine Skulpturen bis zu Fotos, Zeichnungen und kleinen Gemälden reichen. Sie kosten zwischen einem und 500 Euro.

Die Leute sollen also kaufen.

Reiß: Nicht in erster Linie, und wir verdienen auch nichts daran, weil wir das Geld komplett an die Künstler weiterreichen. Wir verstehen unser Projekt als Performance, bei der wir vor allem in Kontakt kommen wollen.

Mit wem?

Kohl: Mit Menschen in verschiedenen Stadtteilen Hamburgs - in erster Linie jedenfalls; wir waren auch schon in Berlin eingeladen. Begonnen hat unser Projekt 2005, als für die - damals noch kaum bebaute - Hamburger Hafencity ein Wettbewerb für temporäre Kunst ausgeschrieben war. Beim Gang über die Baustelle dachten wir: Hier müssen wir nicht die hundertste Video-Installation anbringen. Und dann: Das einzige, was hier fehlt, ist ein Imbiss.

Aber in der Hafencity war doch damals kein Mensch.

Reiß: An den Wochenenden schon. Da sind dort Tausende flaniert - ganz zu schweigen von den Wochenenden, als das Riesen-Kreuzfahrtschiff"Queen Mary" in Hamburg war.

Haben Sie von diesen Massen profitiert?

Kohl: Kaum. Die haben uns teilweise nicht als Kunstprojekt erkannt. Aber man soll nicht ungerecht sein: Natürlich hatten wir in diesen Tagen viele Besucher.

Wer kommt zu Ihnen?

Kohl: Das hängt vom Stadtteil ab. Nach der Hafencity haben wir ja in kulturell eher unscheinbaren Stadtteilen wie Barmbek, im "Problemstadtteil" Wilhelmsburg, aber auch im kreativen Ottensen gestanden. Das Publikum unterschied sich stark. In Barmbek haben uns die Leute lange umschlichen, bevor sie kamen. In Ottensen war es ein Heimspiel.

Worüber sprechen Sie mit den Leuten?

Reiß: Zuerst natürlich über ihre Irritation. Viele verstehen nicht, was an unserem Wagen und den Exponaten Kunst sein soll. Wir versuchen dann, auf sie einzugehen und sprechen manchmal erst lange über "Gott und die Welt", bevor wir zur Kunst, zur Frage nach dem Sinn von Konsum und nach mehr Lebensqualität kommen.

Kohl: Uns ist wichtig, die Leute da abzuholen, wo sie sind. Das heißt auch: Ihre Sprache sprechen. Und das haben wir in den letzten fünf Jahren gelernt: in einem nicht-verklausulierten Vokabular über Kunst zu sprechen.

Glauben Sie, dass die Menschen davon profitieren?

Kohl: Wir hoffen es. Jedenfalls sind fast alle ausgesprochen freundlich zu uns. Manches ist auch einfach skurril: Da kam zum Beispiel mal ein Rockerpärchen und lachte sich schief, weil das doch keine Kunst wäre. Dann haben sie eine kleine Arbeit von Tonia Kudras gekauft. Die fanden sie großartig - egal, ob das nun Kunst sei oder nicht.

Aber letztlich wollen Sie das Gespräch auf die Kunst lenken.

Reiß: Ja. Manchmal gelingt es und manchmal nicht.

Kohl: Da brauchen wir gar nicht so viel zu lenken, denn wir haben ja so viel da, was man angucken kann.

Wo fangen Sie an?

Kohl: Wir sagen ihnen, dass sie auf das vertrauen sollen, was sie sehen. Zum Beispiel irgend so eine seltsame Filzkugel. Dann fangen sie an zu fragen - nach dem Material oder danach, warum man so etwas macht und in welchem Zusammenhang es steht.

Empfinden Sie sich als Missionare?

Kohl: Der Kunstimbiss ist ein Vermittlungsprojekt, und diese Vermittlung begreifen wir als künstlerischen Prozess. Ein bisschen ist es auch eine Performance, die in dem Moment entsteht, in dem ein x-beliebiger Mensch auf den Wagen zukommt und eine Arbeit anguckt. Dann präsent zu sein und zu reagieren - das ist unsere Performance. Natürlich hegen wir die Hoffnung, dass Menschen Zugang zur Kunst bekommen. Das hängt nicht immer mit Bildung zusammen. Es gibt auch Menschen, die keine Vorkenntnisse haben und merken: In diesem Thema bin ich zuhause. Das ist der Moment, in dem es spannend wird: Wenn Leute, die nie in eine Galerie gehen, bei uns spüren, wie viel ihnen das gibt.

Sie können bei Ihnen den Umgang mit Kunst üben.

Reiß: Sie können ästhetische Erfahrungen sammeln, ohne durch "berühmte" Namen bevormundet zu werden. Deshalb schreiben wir keine Namen an die Arbeiten.

Gibt es Galeristen, die Ihnen Ihren Zulauf neiden?

Kohl: Nicht dass ich wüsste. Mit Galerien zu konkurrieren ist nicht unser Ziel. Außerdem nehmen wir den Galeristen das Geschäft ja nicht weg, sondern sind eher hilfreich, indem wir Künstler bekannter machen.

Wie finanzieren Sie das Projekt?

Kohl: Anfangs über das Wettbewerbsgeld, dann über Projektgelder verschiedener Stiftungen und Organisationen. Für dieses Jahr haben wir allerdings mehrere Absagen bekommen, sodass wir den Wagen bis auf weiteres in der Garage lassen müssen.

Geben Sie auf?

Reiß: Nein, aber wir wollen uns auch nicht zu sehr verbiegen und auch nicht irgendwo hinfahren, wo wir uns nicht wohlfühlen, und dann schlecht gelaunt dort stehen. Andererseits ist der Kunstimbiss für 2011 als einer der bundesweit 365 "Orte der Ideen" ausgewählt worden.

Bringt das Geld oder Ehre?

Kohl: Ehre.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.