Katastrophenkino ohne Distanz: Versuch, Hollywood zu entkommen
Ein Film in Web 2.0-Bildern: "Cloverfield" fängt die Unübersichtlichkeit eines Megamonster-Kampfes in New York mit Handykamera und Echtzeitdramaturgie ein.
Dieser Januar ist kein guter Kinomonat für New York. Erst entvölkert in "I am Legend" ein schiefgegangenes bakteriologisches Experiment die Stadt (und den Rest der Welt), jetzt kämpft in "Cloverfield" ein Grüppchen versprengter College-Freunde in Manhattan ums Überleben, während das Militär und ein wohnblockgroßes Monster sich die Endzeit-Schlacht zwischen den Hochhäusern liefern. Die Idee, eine Geschichte mal nicht aus der Frontperspektive von entschlossenen Generälen und nerdigen Wissenschaftlern zu erzählen, sondern denen zu folgen, die einfach nur nicht unter die Räder kommen wollen, ist aber nur ein Teil der Frischzellentherapie, die "Lost"-Produzent J. J. Abrams und Regisseur Matt Reeves dem Genre verpassen. Auf eine Formel gebracht: "Blair Witch" trifft "Godzilla". Die Bilder der Apokalypse erreichen uns als found footage, als Flaschenpost aus der Hölle.
Es beginnt als privates Homevideo, Bilder einer Abschiedsparty unter Freunden. Plötzlich bebt die Erde, ein riesiger Feuerball wird am Horizont sichtbar, dann schwirrt wie ein fehlgeschlagener, riesiger Baseball der Kopf der Freiheitsstatue durch die Straße. Das folgende Chaos wird konsequent in verwackelter Handkamera-Ästhetik entfaltet. Verschnaufpausen lässt solche Echtzeit-Dramaturgie im Gefolge von "24" ebenso wenig zu wie Übersicht. Damit erspart sich das Drehbuch langwierige Erklärungen: Was passiert, passiert, und niemand weiß, warum. "Was immer es ist, es gewinnt", schreit ein entnervter Militär nur Sekunden bevor die Stellung aufgegeben werden muss.
Das macht "Cloverfield" zum ersten Versuch, die "großen" Bilder der Produktionsmaschine Hollywood mit den "kleinen" Bildern aus Handycams, Mobiltelefonen und dem Web 2.0 von Seiten wie Myspace.com kurzzuschließen. Bis wenige Wochen vor Kinostart wurde der Film als "Untitled J. J. Abrams Project" geführt. Im Internet tauchten falsche Webseiten der Protagonisten auf, Details der Story sickerten nur spärlich durch und fachten umso heftigere Spekulationen an.
Das Publikum, das sich dieser Film wünscht, verlangt beides: einerseits die smarte Medienreflexion, andererseits den unmittelbaren, viszeralen Wumms, die intime Begegnung mit der Katastrophe, die sich auf der Kameralinse in Blutspuren und Schmutzflecken einprägt. Der Beobachter verliert die sichere Distanz. "Ich will nur dokumentieren, ich bin gar nicht da", meint der Mann mit der Kamera. Doch auch er wird im Bauch der Bestie enden.
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