Katastrophe auf Madeira: Sintflut im Urlaubsparadies
Auf der portugiesischen Insel sterben nach starken Regenfällen mindestens 38 Menschen. Kritiker machen auch die Tourismusindustrie für die Schäden verantwortlich
MADRID taz | "Wir müssen alle zusammenstehen", erklärte Portugals Ministerpräsident José Sócrates, als er am späten Samstag Abend auf der portugiesischen Insel Madeira eintraf. Dort bot sich ihm ein Bild der Zerstörung. In der Nacht vom Freitag auf Samstag hatten stundenlange, ungewöhnlich starke Regenfälle im Süden des portugiesischen Atlantikinsel in wenigen Minuten Rinnsale in reißende Flüsse verwandelt. Die Regenfälle waren von Sturmböen von über 100 Stundenkilometern begleitet.
In der Inselhauptstadt Funchal im Süden wurden viele Straßen überschwemmt. Dort leben rund 100.000 Menschen. Das ist ein Drittel der Gesamtbevölkerung. Die Fluten rissen Bäume, Autos und Geröll mit sich. Häuser stürzten ein. Brücken wurden zerstört. Das Telefonnetz wurde unterbrochen. Hilfskräfte mussten über Radio mobilisiert werden. Mindestens 38 Menschen verloren in den Wassermassen ihr Leben. Rund 70 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Wie groß die Zahl der Vermissten ist, wusste auch gestern noch niemand genau zu sagen.
Der Zivilschutz rief die Menschen auf, ihre Häuser nicht zu verlassen. Touristen seien keine unter den Opfern, erklärte die Regionalregierung Madeiras. Madeira ist die größte Insel des gleichnamigen Archipels, 500 Kilometer westlich der afrikanischen Küste. Ähnlich wie die weiter nördlich liegenden, spanischen Kanaren zieht Madeira mit seinem ganzjährig milden Klima die Touristen an.
"Die Bevölkerung von Madeira wird unsere volle Unterstützung haben", versprach Regierungschef Sócrates. Vom 1.000 Kilometer entfernten portugiesischen Festland wurden bereits am Sonntag Hilfsgüter und Rettungspersonal eingeflogen. Sócrates bat auch die Europäische Union um Hilfe. "Die EU-Kommission wird die portugiesischen Behörden in dieser schrecklichen Katastrophe unterstützen", bekräftigte der Kommissions-Präsident, der Portugiese José Manuel Barroso.
"Die Lage hat sich durch die schweren Fehler bei der Städteplanung, an der Südküste, verschärft", beschwert sich der Sprecher der Umweltschutzorganisation Quercus in Madeira, Helder Spinola. Vor allem die Tourismusbranche sei für die Bauwut verantwortlich. Neue Zufahrtsstraßen schließen die Feriensiedlungen an das Straßennetz an. Um Straßen zu bauen, wurden, so Quercus, die Läufe der beiden Flüsse San João und Santa Luzia in viel zu enge Betonrinnen gefasst. Diese konnten die starken Regenfälle vom Samstag nicht aufnehmen. Die Fluten ergossen sich über das Stadtzentrum von Funchal. Spinola beklagt sich, dass die Regionalbehörden nichts aus früheren Katastrophen gelernt habe. Bereits 1993 und 2001 kam es bei Überschwemmungen zu Toten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus