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Archiv-Artikel

Kassenkampf im DGB

Der DGB will ein erfolgreiches Bildungshaus in Detmold schließen. Die Mitarbeiter sehen sich als Opfer einer falschen Gewerkschaftsstrategie, der DGB spricht von Unregelmäßigkeiten

VON BERND SCHÄFER

Zwei fristlose Kündigungen und die drohende Schließung der Bildungseinrichtung „Arbeit und Leben Detmold e.V.“ (Aul Dt) – zum Jahreswechsel zeigt sich der DGB in Nordrhein-Westfalen von seiner Arbeitgeberseite. Nicht wirtschaftliche Schwierigkeiten haben den DGB zum harten Schnitt veranlasst. Vielmehr will die Gewerkschaft in dem Detmolder Haus eine „Funktionsbündelung, fehlende Transparenz und eine insgesamt eingeschränkte Kontrollfunktion“ festgestellt haben.

In einem offiziellen Papier der Dachgewerkschaft werden den beiden hauptamtlichen pädagogischen MitarbeiterInnen “finanzielle Unregelmäßigkeiten bei Abrechnungsvorgängen“ unterstellt. „Die Mitarbeiter haben die Einrichtung gezielt vor die Wand gefahren“, sagt auch der AuL-Landes-Geschäftsführer Günter Schneider der taz.

„Das ist Quatsch“, entrüstet sich Jürgen Reitemeier, ehemaliger Geschäftsführer von AuL Dt, „der DGB will einen Konkurrenten loßwerden“. Der ebenfalls gekündigte Norbert Kramer-Bernig flüchtet sich bereits in Zynismus: “Unser Erfolg ist das Problem – der Markt wird immer enger, und während das Kapital global agiert, sollen wir uns auf die Region Lippe beschränken“.

Auch Udo Haushalter, Vorstandsmitglied von AuL, hält die DGB-Beschuldigungen für vorgeschoben: „Der Konflikt fing an, als einzelne Fachbereiche von ver.di sich für Seminare bei uns entschieden. Dann kamen die bösen Briefe aus Düsseldorf.“ Laut Reitemeier habe die DGB-Landeszentrale daraufhin versucht, durch „Abmahnungen“ bestimmte Sach- und Gebietsaufteilungen durchzusetzen. Für den Ausbilder ein Unding: „Bildung ist ein öffentliches Gut, und wer das in Kartelle drängt, verhält sich undemokratisch“.

Auch Michael Fredersdorf, Sprecher der ReferentInnen, sieht in Verstößen gegen eine vom DGB vorgegebene räumliche und sachliche kartellmäßige Gliederung das eigentliche Problem: „Es ist ein Kampf um die Inhalte“, meint der Seminarleiter. Der DGB sei nicht mehr zeitgemäß, habe Probleme mit der Auslastung: „Für den DGB ist AuL eine Konkurrenz“.

An schlechten Wirtschaftsdaten wird es kaum liegen: Der Umsatz der Detmolder Einrichtung wurde innerhalb von wenigen Jahren auf 2,7 Mio. Euro hochgefahren. Selbst bei den „Unregelmäßigkeiten“ kommt ein interner Revisionsbericht zu weniger brisanten Ergebnissen. Für einzelne Seminare wurden öffentliche Mittel in Anspruch genommen. „Das wußten wir nicht“, verteidigt sich Kramer-Berning: Selbst AuL-Landes-Geschäftsführer Günter Schneider bestätigt, „dass die ganz kleinen Beträge“, inzwischen zurück überwiesen wurden.

Acht MitarbeiterInnen beschäftigte AuL Dt. Weitere 20 indirekte Arbeitsplätze werden von der Schließung betroffen sein und rund 50 freie ReferentInnen die im wesentlichen für AuL Dt arbeiteten und davon lebten, müssen sich neue Einkommensmöglichkeiten suchen.

Die Schließung von Aul Dt trifft aber auch das eigene Klientel. Bei Betriebsräten stößt die DGB-Strategie auf Unverständnis und Ablehnung. „Wir wissen jetzt nicht wohin“, klagt die Betriebsrätin Anne Meyer, „die Seminare waren inhaltlich sehr gut und praxisnah“. Gegenüber oft trägen gewerkschaftlichen Einrichtungen sei man hier sehr zeitnah bedient worden. „Das ist in unserem Raum sonst nicht zu haben“, sagt Werner Gusthebel. Auch für den Betriebsratvorsitzenden der etwa 4.500 MitarbeiterInnen der Dräger Werk AG in Lübeck kommen durch die Schließung des Detmolder Hauses Nachteile auf die Betriebsratsarbeit zu.

Die finanziellen Ressourcen für gewerkschaftliche Bildungsarbeit werden ohnehin knapper. So will die NRW-Landesregierung die Förderung der Weiterbildung im nächsten Jahr um 15 Prozent auf 112 Mio. Euro zusammenstreichen. „Kürzungen, die das soziale und politische Klima gefährden, Pleitewellen nach sich ziehen und zu einem Abbau von Personal und Angeboten führen werden“, befürchten Gewerkschaften, freie Bildungsträger und Opposition in seltener Eintracht.

Ein weiteres Standbein für die Bildungseinrichtungen sind die Arbeitgeber. Rund 1.200 Euro geben sie im Schnitt pro Jahr und MitarbeiterIn für die berufliche Weiterbildung aus. Dazu werden bis zu zwei Prozent der Lohn- und Gehaltssumme in Betriebsräte und deren Schulung gesteckt – ein Marksegment, das vor 15 Jahren noch wesentlich von den gewerkschaftsnahen Bildungsträgern beherrscht wurde. Inzwischen sorgen mehr als 60 zum großen Teil private Träger für einen größeren Konkurrenzdruck, inhaltlich und im Preis.