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■ Kassen dürfen bei Kuren gestaltenChronisch Kranke werden zur Last

Berlin (taz) – Nach der Deutschen Angestellten Krankenkasse gab gestern auch die Techniker Krankenkasse (TK) eine Beitragserhöhung um 0,6 auf 13,4 Prozent (Osten: 13,9) zum 1. Dezember bekannt. Da die Beiträge der gesetzlichen Krankenkassen laut Gesetz ab 1. Januar um 0,4 Prozent sinken müssen, liegen die Beitragssätze der TK dann im Westen bei 13 Prozent (Osten: 13,5).

Anlaß für die Erhöhungen ist die dritte Stufe der Gesundheitsreform. Das „Gesetz zur Neuordnung von Selbstverantwortung und Eigenverantwortung in der gesetzlichen Krankenversicherung“ soll die Kassen ab 1. Januar 1997 zu mehr Wirtschaftlichkeit zwingen. Nach dem neuen Entwurf von Horst Seehofer (CSU) dürfen die Kassen künftig in einigen Bereichen selbst entscheiden, was sie bezahlen wollen.

Das Zauberwort heißt „Gestaltungsleistungen“. Nach Seehofers Vorstellungen können die Versicherer ihr Angebot ab 1. Januar bei folgenden Leistungen selbst gestalten: häusliche Krankenpflege, Fahrtkosten mit Ausnahme von Rettungstransporten, bei Kuren und Reha-Maßnahmen, Heilmitteln und der medizinischen Versorgung im Ausland (Ausnahme: EU-Länder). Diese Leistungen werden auch nicht mehr im sogenannten Risikostrukturausgleich berücksichtigt. Das sind Zahlungen von finanzstarken an schwache Kassen. Außerdem dürfen diese Leistungen nur aus den Beitragsanteilen der Versicherten, nicht mehr der Arbeitgeber, bezahlt werden. Die Folge: Die Kassen sind zum Beispiel bei Reha und Kuren jetzt zum kommerziellen Handeln gezwungen.

Finanzschwächere Kassen werden möglicherweise weniger Reha- und Kurmaßnahmen anbieten können. Kassen mit vielen jungen „Leistungsträgern“ dagegen könnten mit einem attraktiven Angebot glänzen. Der Vorsitzende des Ersatzkassenverbandes (VdAK), Herbert Rebscher, nannte die Gesetzesentwürfe gestern „unsozial“ und „gesundheitspolitisch verfehlt“. Angesichts des Defizits von 10 Milliarden Mark würden die Kassen geradezu animiert, sich nur noch um die Patienten zu kümmern, die Geld einbringen. So könnte die Kasse zum Beispiel die Sprachtherapie für Schlaganfallpatienten aus dem Pflichtkatalog streichen und damit gezielt Menschen aus ihrer Mitgliedschaft vertreiben.

clh

Kommentar Seite 10

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