GENTECH-INDUSTRIE REDET VOM HUNGER IN DER WELT UND DENKT AN PROFIT : Kartoffel ist nicht Kartoffel
Der Streit um das Für und Wider der Grünen Gentechnologie geht in die nächste Runde. Bisher ging es fast ausschließlich um Pflanzensorten, von denen Endverbraucher überhaupt keinen direkten Nutzen hatten. Die Reduzierung oder der Umstieg auf angeblich weniger schädliche Pflanzengifte stand im Zentrum der Biotech-Forschung. Adressat der Ergebnisse war ausschließlich der Landwirt.
Jetzt steht eine neue Pflanzengeneration für den kommerziellen Anbau bereit, die für Kosumenten gedacht ist: Neue, angeblich besser bekömmliche Substanzen, die sogar noch die Gesundheit fördern sollen, werden direkt in den Pflanzen produziert und dort angereichert. Gefordert wurde die neue Pflanzengeneration von der Biotech-Lobby schon lange. Denn nur mit ihnen könne die mangelnde Akzeptanz der Grünen Gentechnologie in der Bevölkerung verbessert werden, hieß es schon vor Jahren in der Biotech-Industrie.
Die mit Proteinen angereichterte Gentech-Kartoffel „Protato“ passt gut in diese Strategie. Schon der besonders mit Vitamin A angereicherte Goldene Reis sollte beweisen, dass Gentechnologie helfen kann, den Hunger in der Welt nachhaltig zu mildern. Protato wird den Streit über Gentech-Essen noch verschärfen und vermutlich auch die bisher einmütig ablehnende Front der Gegner spalten. Schon gibt es Stimmen, wie zum Beispiel die britische Entwicklungshilfeorganisation Oxfam, die Protato als nützlich und hilfreich bewerten. Vorausgesetzt, es gebe keine schädlichen Begleiterscheinungen für Mensch und Umwelt.
Und genau hier liegt das eigentliche Problem. Wer Ja sagt zu Protato oder auch dem neuen Raps mit gesünderen Fettsäuren, der gibt auch seine Zustimmung zu den Arzneimittel oder Impfstoff produzierenden Pflanzen, die jetzt schon probeweise angebaut werden. Und stehen diese Pflanzen, bei denen sich die Frage nach dem Gesundheitsrisiko ganz anders stellt, erst einmal auf dem Feld, wird nicht zu verhindern sein, dass sie auch in unsere Nahrungskette gelangen. Denn äußerlich ist eine Esskartoffel nicht zu unterscheiden von einer Impf- oder Arzneimittel-Kartoffel. WOLFGANG LÖHR