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Karsai in Washington"Nie besser aufeinander abgestimmt"

Der afghanische Präsident trifft bei seinem Besuch in den USA auf auffälliges Wohlwollen. Die US-Erwartungen an eine kooperativere Politik sind aber nur höflich verpackt.

Dinner im Blair House in Washington. Ganz vorn Hamid Karsai und Hillary Clinton. Bild: reuters

BERLIN taz | Nach den jüngsten Spannungen zwischen der US-Regierung und Afghanistans Präsidenten Hamid Karsai versuchen jetzt beide Seiten ihr Verhältnis zu kitten. Karsai hält sich seit Montag zu einem Besuch in Washington auf. Auffällig ist das amerikanische Bemühen, sich mit öffentlicher Kritik an der Amtsführung Karsais zurückzuhalten. Laut Medienberichten soll US-Präsident Barack Obama darum gebeten haben. Der US-Botschafter in Afghanistan, Karl Eikenberry, der Karsai begleitet, erklärte am Montag, die beiderseitigen Interessen seien "nie besser aufeinander abgestimmt" gewesen. Eikenberry selbst hatte Karsai früher mehrfach Inkompetenz vorgeworfen.

Das bilaterale Verhältnis hatte sich seit Obamas Amtsantritt im Januar 2009 unter dem Druck wachsender Taliban-Erfolge drastisch verschlechtert. Einmal sollen sich Karsai und der US-Sondergesandte Richard Holbrooke in Kabul sogar regelrecht angeschrien haben. Die Spannnungen gipfelten darin, dass die USA Karsai Korruption, Wahlfälschung und Ineffizienz vorwarfen. Karsai konterte, in dem er den USA im April Wahlmanipulation und den Aufbau einer Fremdherrschaft vorwarf. Schließlich drohte er, sich den Taliban anzuschließen.

Erst da wurde den USA klar, dass sie zu ihrem Zögling Karsai keine realistische Alternative haben. Pläne, ihn durch engere Kooperation mit Provinzführern zu umgehen oder über die Einsetzung eines in der Verfassung nicht vorgesehenen Premierministers zu entmachten, erwiesen sich als nicht praktikabel. Karsai hingegen beunruhigte Obamas Ankündigung, ab Sommer 2011 US-Truppen abzuziehen. Das wird in Kabul als Wink an die Taliban gewertet, den Konflikt aussitzen zu können.

Der Besuch von Karsai und rund 20 Ministern begann am Montag mit einem Dinner bei Außenministerin Hillary Clinton und sollte am Dienstag mit Gesprächen im Außenministerium fortgesetzt werden. Für Mittwoch ist ein Treffen mit Obama und Vizepräsident Joe Biden und für Donnerstag mit dem Kongress vorgesehen. Die USA wollen von Karsai mehr über Maßnahmen gegen die Korruption und sein Reintegrationsangebot an ausstiegswillige Taliban erfahren. Der afghanische Präsident wird Rückhalt suchen für seine ab 29. Mai in Kabul geplante Friedensdschirga. Diese Versammlung von 1.500 Lokalführern soll den Rahmen für Gespräche mit den Taliban abstecken und war eigens auf die Zeit nach Karsais US-Besuch verschoben worden.

Ein Thema wird auch die für Juli in Kabul geplante internationale Konferenz sein, bei der die Umsetzung der Beschlüsse der Londoner Afghanistan-Konferenz vom Januar mit afghanischen Politikern diskutiert werden soll. Amerikaner und Afghanen werden sich auch über die geplante Sommeroffensive in der Taliban-Hochburg Kandahar verständigen. In der Provinz ist Karsais Halbbruder Ahmad Wali Karsai, dem US-Medien Drogengeschäfte nachsagen, ein wichtiger Machthaber. Nach der Frühjahrsoffensive im südlichen Helmand soll Kandahar die zweite große Offensive des Jahres der massiv aufgestockten Isaf-Truppe werden.

Die von US- und afghanischen Truppen durchgeführte Operation "Mushtarak" ("Gemeinsam") in Helmand war laut dem dortigen Gouverneur Gulab Mangal sehr erfolgreich. "Wir haben uns vor der Offensive mit der Zivilbevölkerung beraten", sagte Mangal der taz. Es sei ihr Wunsch gewesen, dass auf Luftangriffe und schwere Waffen verzichtet würde. Auch sei Vertrauen dadurch gewonnen worden, dass alle Ministerien nach der Vertreibung der Taliban ihre Dienste in der Region angeboten hätten. Diesen Lobeshymnen Mangals wurde jüngst vom Pentagon widersprochen, wonach in Helmand qualifiziertes Regierungspersonal fehle. Ein Beispiel dafür ist Abdul Zahir. Der von Mangal eingesetzte neue Distriktchef der früheren Taliban-Hochburg Marjah saß in seiner Zeit im deutschen Exil vier Jahre wegen versuchten Totschlags im Gefängnis.

Laut dem Zivilkoordinator der Nato, dem früheren britischen Botschafter Mark Sidwill, besteht die Herausforderung vor allem darin, politische Konflikt auf Distriktebene zu lösen. "Wir können Sicherheit bringen und Wiederaufbauhilfe leisten", sagte Sidwill bei einem Treffen der Truppenstellerstaaten für Nordafghanistan am Dienstag in Berlin, "aber so lange wir die politischen Spannungen vor Ort nicht lösen, kommen die Taliban zurück."

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1 Kommentar

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  • E
    End.The.Occupation

    Die Financial Times ist besser informiert als die taz:

    "The US government is facing fresh questions on its oversight of war funding amid mounting evidence that a $2.16bn trucking contract is enriching Afghan warlords linked to the controversial half-brother of President Hamid Karzai.

    As the Afghan president arrives in Washington, congressional investigators are looking into whether millions of taxpayers' dollars are being paid to militia commanders to protect convoys ferrying supplies through Kandahar province, where US troops are preparing an offensive.

    Critics say the militias form part of a mafia-like network that has bolstered the influence of the president's younger half-brother, Ahmed Wali Karzai, the powerful chairman of Kandahar's provincial council.The US government is facing fresh questions on its oversight of war funding amid mounting evidence that a $2.16bn trucking contract is enriching Afghan warlords linked to the controversial half-brother of President Hamid Karzai.(...)John F. Tierney, a Democratic member of Congress from Massachusetts, said: "In this case, the US appears to be inadvertently fuelling the very warlordism and corruption that we are pressing President Karzai to curtail."

    http://www.ft.com/cms/s/0/f9563aee-5c94-11df-bb38-00144feab49a.html

     

    Gareth Porter:

    For weeks, the U.S. public followed the biggest offensive of the Afghanistan War against what it was told was a "city of 80,000 people" as well as the logistical hub of the Taliban in that part of Helmand. That idea was a central element in the overall impression built up in February that Marja was a major strategic objective, more important than other district centers in Helmand.

    http://www.commondreams.org/headline/2010/03/08-4

     

    TARIQ ALI:

    "Now you have a situation where Hamid Karzai, who was put into power by NATO and the United States, a total creation of Washington, a puppet ruler, as we used to say in the old days, is now saying, “You’re killing too many of my people, and I can’t go along with this,” and is now, with American support, negotiating with sections of the Taliban. So the whole policy is in a crisis. It’s a mess. The fact that Karzai, who was elected without any opponents, can stand up and criticize the United States is an indication of how bad things are in that country. And, of course, the reason he feels so confident is, A, he knows the war is going badly, and B, his own brother is the richest man in Afghanistan. Thanks to the NATO occupation of the country, he’s become a billionaire twice over, and they are buying support. And they think that that gives them the right to take on the United States."

    http://www.democracynow.org/2010/5/11/tariq_ali_on_britains_political_deadlock

     

    Malalai Dschoja:

    "Das ist es, was die USA wollen. In der Vergangenheit haben sie diese brutalen, unmenschlichen Führer aufgebaut. Diese Leute sind bereit, für die USA zu arbeiten, solange man ihnen die Taschen mit Dollars füllt und ihnen hohe Posten in der Regierung anbietet. Die US-Regierung ist in Afghanistan sehr bemüht, reaktionäre Kräfte und Individuen an die Macht zu bringen, denn sie können diese Leute benutzen, um das Aufkeimen pro-demokratischer und nationaler Kräfte und Gruppierungen in meinem Land zu stoppen."

    http://zmag.de/artikel/interview-mit-der-afghanischen-friedensaktivistin-malalai-dschoja-joya