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Karoline Linnert über die Bremen-Wahl"Wir sind keine große Koalition"

Die grüne Bürgermeisterin Karoline Linnert will "mehr Verantwortung" übernehmen und "unbequeme Dinge anpacken" – allerdings nicht à la Harry Potter.

Hat keine bundespolitischen Ambitionen, sagt sie: Bürgermeisterin Karoline Linnert. Bild: dpa
Interview von Benno Schirrmeister

taz: Frau Linnert, Sie sind nach Ihrem starken Bremer Ergebnis schon unterwegs nach Berlin?

Karoline Linnert: Ja. Aber ich habe keine bundespolitischen Ambitionen. Ich bin als Landespolitikerin auf dem Weg dorthin. Ich vertrete die Interessen Bremens im Bundesrat, in der Finanzministerkonferenz und auch in grünen Gremien. Unser Gewicht in Deutschland hängt stark davon ab, dass sich Bremer Senatorinnen und Senatoren überall einbringen - auch außerhalb des Landes.

Dort fragt man sich, wer drittes grünes Senatsmitglied wird.

Keine Ahnung. Diese Frage stellt sich erst am Ende von Koalitionsverhandlungen.

Karoline Linnert

52, Psychologin, ist seit Juni 2007 Bürgermeisterin und Finanzsenatorin von Bremen, außerdem Aufsichtsratsvorsitzende der Bremer Landesbank und Senatskommissarin für Datenschutz.

Aber sie stellt sich - also fordern Sie einen dritten Senator?

Traditionell spiegelt sich das Kraftverhältnis der Bürgerschaft auf der Regierungsebene wider. Ob das durch einen weiteren grünen Senator geschieht oder anders, da lege ich mich auf gar nichts fest.

Also wird es ein Kompromiss und Sie vergrößern den Senat auf acht Mitglieder?

Ich unterhalte mich mit den Sozialdemokraten direkt über diese Themen, nicht durch die Zeitung. Grundsätzlich wäre das eine Möglichkeit.

Auch angesichts der Not, in der sich der Bremer Haushalt befindet?

Dass die Anzahl der Ressorts der entscheidende Posten in Bremens Haushalt ist, würde ich bestreiten. Aber noch einmal: Ich lege mich da nicht fest. Weder auf die Anzahl der Ressorts noch auf die Personen.

Also reden wir über Inhalte: Welches Ressort wollen die Grünen denn?

Wir haben einen intensiven Wahlkampf gemacht, und wir haben gezeigt, dass wir Politik für die ganze Gesellschaft machen. Insofern käme jedes Ressort infrage. Es kommt aber darauf an, eine funktionierende Regierungsmannschaft zu bilden, die von beiden Seiten getragen wird. Das ist das Interessante der Koalitionsverhandlungen.

Am Wahlabend haben Sie angekündigt, "mehr Verantwortung" gefordert. Was heißt das jenseits der Personalfragen?

Das funktioniert doch nicht à la "Harry Potter" - noch fünf Punkte mehr für Gryffindor! Mehr Verantwortung hat viel damit zu tun, dass es eine stärkere Fraktion gibt. Wir haben bisher alles ausgepegelt in unserer Regierung: Was sind die Punkte, die uns selbst am wichtigsten sind, welche Themen liegen dem Partner besonders am Herzen. Ich gehe davon aus, dass sich das in den Entscheidungsprozessen stärker in unserer Richtung bewegt. Das wäre das Normale.

Und was haben Sie mit der gewachsenen Verantwortung vor?

Gut regieren, auch unbequeme Dinge anpacken - also das machen, was in unseren Wahlprogrammen steht.

Wobei das Risiko einer großen Koalition …

… wir sind keine große Koalition. Wir sind Rot-Grün.

Wenn Rot und Grün als stärkste politische Kräfte zusammen eine Zweidrittelmehrheit im Parlament haben, ist das eine große Koalition.

Mit einer großen Koalition haben wir in Bremen keine guten Erfahrungen gemacht. Wir bleiben Rot-Grün.

Auf jeden Fall werden Sie mit großer Mehrheit regieren. Droht da nicht Behäbigkeit?

Wir hatten auch bisher eine deutliche Mehrheit, und wir haben deren Vorschläge trotzdem nicht allesamt abgebügelt. Vor allem sind wir sehr empfindsam für das, was in der Stadt vorgeht. Das ist auch einer der Gründe für das gute Wahlergebnis: Wenn es irgendwo Probleme gab, wenn Menschen gegen unsere Vorhaben protestiert haben, dann haben wir uns darum gekümmert. Wir sind hingegangen, haben mit den Menschen gesprochen, haben ihnen zugehört.

Sie brauchen deshalb keine Opposition mehr?

Das würde ich nie behaupten. Aber die parlamentarische Opposition ist eben auch nur ein Baustein einer lebendigen Demokratie. Und es sagt etwas aus, dass sie nur noch aus zwei statt wie bisher aus drei Fraktionen besteht.

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1 Kommentar

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  • UR
    Udo Radert

    Die Grünen schwimmen von Anfang an alleine auf der Atomwelle und nur in diesem Punkt sind sie auch wirklich uneingeschränkt glaubwürdig - umso mehr, da es praktisch alle anderen Parteien nicht wirklich sind.

     

    Aber Politik - egal ob auf Landes- oder auf Bundesebene - besteht nun mal aus sehr viel mehr, als nur aus *einem* Thema und da schlägt dann aber die Stunde der Wahrheit.

     

    Man denke nur mal an ihre schwärmerisch-romantischen aber für die Praxis völlig untauglichen und katastrophalen "Rezepte"

     

    - in der Bildungspolitik,

     

    - dem Thema Zuwanderung und EU-Beitritt der Türkei,

     

    - ihrer (so gut wie nicht vorhandenen) "Wirtschaftskompetenz",wo der erste grüne MP gleich mal im Autobauer-Land BW postuliert, es gebe zu viele Autos,

     

    - ihrer Sozialkompetenz, die sie ja als Regierungspartei bei der Einführung der Hartz-Gesetze hinreichend gezeigt hat,

     

    und, und, und....

     

    Nein, ... in *einer* einzigen Sache glaubwürdig und richtig zu handeln, das reicht auf Dauer nicht aus und wiegt die anderen Katastrophen erst recht nicht auf.