Karlsruher Urteil: Polizei verletzt Grundrechte

Um sie erkennungsdienstlich zu behandeln hielt die Polizei im Jahr 2003 Demonstranten stundenlang in Zellen fest. Das erklärte das Verfassungsgericht nun für unverhältnismäßig.

Hätte gehen dürfen: Demonstrantin wird am 23.9.2003 festgehalten. Bild: dpa

Erneute Ohrfeige für die Hamburger Polizei: Die Festnahme von 27 Bambule-Sympathisanten, die am 25. September 2003 das Bundesbahngelände an der Harkortstraße besetzt hatten, ist rechtswidrig. Das hat nun das Bundesverfassungsgericht entschieden und die Sache zur erneuten Entscheidung ans Landgericht zurückverwiesen. Die polizeilichen Maßnahmen haben das Grundrecht auf Freiheit der Person verletzt und gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen, so die Richter.

Unter dem Motto: "Bambule lebt noch", hatten an jenem Samstag rund 100 Personen das Areal in Altona symbolisch besetzt. Damit sollte unterstrichen werden, dass nach der Räumung des Bauwagenplatzes Bambule im Karolinen-Viertel am 4. November des Vorjahres den Bauwagenbewohnern noch immer kein Ausweichquartier von der Stadt zur Verfügung gestellt worden war.

Ursprünglich war der Gruppe von Senatsunterhändler und Innenstaatsrat Walter Wellinghausen die Harkortstraße als Platz angeboten worden, dann hatte jedoch der Schwarz-Schill-Senat diese Zusage zurückgezogen. Insofern waren die "Platzbesetzer" auf eine schnelle Räumung vorbereitet und hatten ihre Personalausweise dabei.

Nach einigen Stunden räumte die Polizei das Areal und nahm 84 Personen nach Polizeirecht in Gewahrsam und registrierte die Personalien. Bei 27 Personen ordnete die Polizeiführung jedoch zusätzlich nach der Strafprozessordnung eine erkennungsdienstliche Behandlung an. Die Personen wurden ins Präsidium gefahren und zwischen fünf und acht Stunden in Zellen festgehalten.

Gegen diese Freiheitsentziehung gingen mehrere Betroffene mit Feststellungsklagen vor dem Amts- und später vor dem Landgericht gegen die Polizei vor - und scheiterten.

Während die Verfassungsbeschwerde der Anwältin Britta Eder schon vor drei Jahren verworfen wurde, ist die Beschwerde der Anwältin und heutigen Richterin Karen Ullmann jetzt erfolgreich gewesen. "Die polizeilichen Maßnahmen erweisen sich nicht als erforderlich zur Erreichung des angestrebten Zwecks", sagen die Verfassungsrichter, "sie seien unverhältnismäßig."

Ein Eingriff in die persönliche Freiheit sei nur zulässig, wenn sie zur Feststellung der Identität "unerlässlich" sei. "So verhielt es sich hier nicht. Die Beschwerdeführer hatten sich vor Ort mit Ausweispapieren ausgewiesen", so die Richter. Auch wenn das Bedürfnis der Polizisten bestehe, trotz eindeutig festgestellter Identität sich durch Fotos vor Gericht später besser erinnern zu können, so das Gericht "rechtfertigt dies nicht ein stundenlanges Festhalten und Einsperren". Zudem hätte eine Freiheitsentziehung von Beginn an dem Richtervorbehalt unterlegen.

Die Polizei hatte damals nicht einmal erwogen, einen Richter einzuschalten.

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