: Karlsruhe prüft Kneipenbeschwerden
Wirte mit nur einem Gastraum dürfen in 13 Bundesländern das Qualmen nicht erlauben. Sie beklagen, dass Kunden nun in Gaststätten mit separaten Raucherräumen abwandern. Die Verfassungsrichter entscheiden heute, ob das zumutbar ist
VON DANIEL SCHULZ
36 Quadratmeter sind nicht teilbar. Das findet zumindest die Berliner Wirtin Sylvia Thimm. Sie sagt, dass sie in ihrer kleinen Musikkneipe Doors kein Extrazimmer für Raucher einrichten kann – und ihr die Gäste ausbleiben. Sie klagt deswegen zusammen mit einem Gastronomen und einem Diskobetreiber aus Baden-Württemberg vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Die Richter entscheiden am heutigen Mittwoch darüber, ob das absolute Rauchverbot für Einraumkneipen und Diskotheken in 13 Bundesländern verfassungsgemäß ist.
Durch diese Länderregelungen sei „eine Vielzahl der Einraumkneipen, in denen Getränke das Angebot bestimmen, existenziell gefährdet“, warnt Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), der die Wirte unterstützt. Der Verband habe den Verfassungsrichtern 14 verschiedene Umfragen von Getränkeherstellern, Brauereibünden und eigene vorgelegt, so Hartges. Die befragten Wirte antworteten eindeutig: Viele kleine Kneipen hatten in den Wintermonaten des vergangenen Jahres Umsatzeinbußen von 20 bis 40 Prozent.
Rauchgegner zweifeln dieses Argument jedoch an. „Diese Zahlen führen in die Irre, denn seit der Euro-Einführung gehen die Einnahmen der Wirte generell zurück“, sagt der SPD-Abgeordnete Lothar Binding, einer der prominentesten Nichtrauchervertreter. „Das Rauchverbot hat damit wenig zu tun.“
Karlsruhe wird sich nun genau damit befassen. Die Richter prüfen laut Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier, ob die wirtschaftlichen Nachteile des generellen Verbots den bundesweit etwa 68.000 Ein-Raum-Wirten zugemutet werden können. Sie müssen dabei auch beurteilen, ob Gäste von Einraumkneipen – wo vielfach ein totales Rauchverbot herrscht – in Gaststätten mit separaten Raucherräumen ausweichen. Gerichtspräsident Papier will damit angesichts 30 weiterer anhängiger Klagen „exemplarisch“ klären, inwieweit die Regelungen der 13 Bundesländer insgesamt verhältnismäßig sind.
Drei Landesverfassungsgerichte, die von Sachsen, Saarland und Rheinland-Pfalz, haben bereits entschieden, dass die Nachteile für die Wirte von Ein-Raum-Gastronomie nicht hinnehmbar sind. Sie haben das Rauchen in den kleinen Kneipen vorerst weiter erlaubt.
Der Gaststättenverband hofft nun darauf, dass sich das Bundesverfassungsgericht diesen Entscheidungen mit seinem Urteil anschließt. „Unsere Klage richtet sich dabei nicht generell gegen den Nichtraucherschutz“, sagt Geschäftsführerin Hartges. In Restaurants und Hotels bleibe das Rauchverbot weiter akzeptiert.
Für den Rauchbekämpfer Lothar Binding hat sich der Gaststättenverband Dehoga die Schwierigkeiten selbst eingebrockt. „Der Verband wollte ja die Ausnahmeregelung mit den separaten Raucherräumen.“ Die Lösung für das Problem sei einfach: „ein bundesweit einheitliches Rauchverbot.“
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