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■ Karlsruhe ist kein FeldherrenhügelKrieg in „sicheren Zonen“

Windstill war es im Schatten des Eisernen Vorhangs und unter Protektion der Supermächte – windstill und ein wenig stickig. Die militärpolitische Perspektive im geteilten Deutschland erschien ebenso gewöhnlich wie apokalyptisch: Entweder es kommt zum großen atomaren Knall – und von Deutschland samt Bundeswehr beziehungsweise Nationaler Volksarmee bliebe nicht viel übrig. Oder es gelingt, das prekäre Gleichgewicht weiter zu stabilisieren. Wo solche Alternativen zwischen Normalität und Weltuntergang sich nicht zuletzt durch (notwendige!) Entspannungspolitik verfestigten, gab es keine militärpolitischen Probleme im herkömmlichen Sinn.

Wer im Windschatten des Kalten Krieges vor sich hindümpelte, konnte es sich leisten, eine technisch hoch gerüstete Armee zu unterhalten und als deren „Ernstfall“ den Frieden auszurufen. Und dazu den gratismutigen Konsens in Gestalt einer „Genscher- Doktrin“, derzufolge jegliche Bundeswehreinsätze out of area nicht vom Grundgesetz gedeckt seien.

Mit 1989 hat indes eine Radikalisierung der Gewißheitsverluste eingesetzt, die bekanntlich auch die deutsche Außenpolitik erreichte. Der Kampf um eine neue Wehrverfassung, der in den fünfziger Jahren um das „Ob“ einer Armee geführt wurde, ist heute nicht etwa voll entbrannt, sondern schwelt ungut vor sich hin: weil ein Teil der Bonner Altparteien sich aus dem alten Verfassungskonsens davonstehlen will.

Eine zweite Debatte, dieses Mal um das „Wie“ des deutschen Wehrbeitrags, muß offen geführt werden: Soll militärische Gewalt, soll Krieg künftig ein Bestandteil der Außenpolitik sein? Und wenn ja: Wer entscheidet darüber nach welchem Verfahren? Geführt wird statt dessen ein vernebelnder Streit ums Grundgesetz. Dessen alte Artikel aus der Periode der bipolaren Welt besagen aber nichts Klares über die Fragen einer grundstürzend neuen Epoche. Statt neuer Konzeption der Außenpolitik – Prozeßtheater mit dürftigem Unterhaltungswert. Es scheint, als wollten die Streitparteien erst höchstrichterliche Punkte sammeln und den Ist-Zustand der Verfassung autoritativ beurkunden lassen, bevor sie in wirkliche Verhandlungen eintreten.

Bis dahin macht man auf harmlos. Man höre sich nur die wortreichen, um keine verschwiemelte Phrase verlegenen Beteuerungen an: Unsere Soldaten seien in Sicherheit, sie bauten Schulen und Krankenhäuser und so fort. Wie angenehm es doch in „sicheren Zonen“ zugehen kann! Dieses Land braucht vielleicht, es sei mit Bedacht und ohne Zynismus gesagt, einige Zinksärge per Bundeswehrluftpost. Erst dann vielleicht wird es der politischen Führungsschicht dieses Landes, vor allem unseren Unionschristen, dämmern, daß die Übernahme militärischer „Verantwortung in der Welt“ regelmäßig ein blutiges, ein schmutziges Geschäft ist. Ein Geschäft, das stets mit schwer zu entwirrenden, politisch-moralischen Ambivalenzen einhergeht. Kein prinzipientreuer Pazifismus, keine machtbewußte Militärpolitik helfen da heraus.

Wie immer auch das neuerliche Orakel von Karlsruhe aussehen mag: die Frage, ob militärische Gewalt künftig ein Bestandteil der deutschen Außenpolitik sein darf und soll, wird so nicht entschieden. Die beschauliche Karlsruher Residenz ist wahrlich kein Feldherrenhügel. Nur schade, daß im deutschen Verfassungsprozeßrecht nicht jene Political-question- Doktrin geläufig ist, die es dem US-amerikanischen Supreme Court erlaubt, politisch nicht justitiable Streitigkeiten postwendend abzuweisen. Doch ein Gericht, das nicht einmal eine halbwegs konsistente Praxis richterlicher Selbstbescheidung vorzuweisen hat und sich erst kürzlich anmaßende Übergriffe in Sachen Lebensschutz leistete, wird schwerlich einen Teil seiner beispiellosen Machtfülle abgeben wollen. Horst Meier

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