■ Karl-Heinz Böhm auf „Motivationstour“ in Europa: „Hilfe muß begreifbar sein“
Berlin (taz) – Der stolze Kaiser Franz-Josef an der Seite von Romy Schneider im Wiederholungskultfilm „Sissi“ ist er schon lange nicht mehr. Aber auch nicht der sonnengegärbte Farmarbeiter, den man nach sechsjährigem Afrika-Aufenthalt vielleicht hätte erwarten können. Karl-Heinz Böhm ist älter, die Denk- oder Sorgenfalten auf seiner Stirn sind tiefer geworden. Bis Ende Juni ist der Organisator der Äthiopien-Hilfe „Menschen für Menschen“ auf Europa- Tour – Motivationstour, wie er sie nennt. Wieder versucht er, Menschen durch Vorträge und Berichte über seine Arbeit in Äthiopien dazu zu bewegen, für die notleidende Bevölkerung des Landes in der Sahel-Zone zu spenden. Allerdings befürchtet er, daß dieses Jahr die Spendensumme 20 bis 30 Prozent niedriger ausfallen wird und die durchschnittlichen acht bis zehn Millionen Mark nicht erreicht werden können. Die Garantie, daß die Spenden auch ihre Empfänger erreichen, kann der 64jährige sicher geben.
Wie schätzt jemand, der sich schon ganz als Äthiopier versteht und die Mentalität der Menschen in Ostafrika selbst teilweise übernommen hat, die Abschottung Deutschlands durch Asylkompromisse ein? „Die Zahl, von der in Bonn derzeit gesprochen wird – eine halbe Million – ist geradezu lächerlich. In wenigen Jahren wird es in Deutschland zehnmal so viele Einwanderer geben.“ Auch Böhm glaubt, daß die Mehrzahl der Asylsuchenden keine politisch Verfolgten sind. Nichtsdestotrotz dürfe man nicht so naiv sein zu glauben, jemand der den Namen Deutschland mit Geld und genug zu Essen verbinde, lasse sich von einem Asylgesetz abschrecken.
Der Somalia-Einsatz deutscher Soldaten macht ihn wütend. Es könne doch nicht sein, daß nationale Armeen in irgendeinem anderen Land für Ordnung sorgen wollen. „Wenn schon, dann muß man eine Art Welt-Polizei aufstellen, die auch die nötigen Kompetenzen hat.“ Diese „hart gedrillte Welt- Armee“ könne gleichzeitig jede nationale Armee ersetzen und nur dann eingesetzt werden, wenn eine nationale Regierung ein Land nicht mehr unter Kontrolle habe. Eine Reform der UNO sei dringend nötig, wenn sie effektiv funktionieren wolle. Sie müsse ein Welt-Parlament werden, in dem jedes Land gleiche Chancen habe.
Hilfe könne auch nur dann sinnvoll sein, wenn man an sie keine Bedingungen knüpfe. „Die Hilfe muß für die Beteiligten auch begreifbar sein.“ Wenn zum Beispiel ein ökologischer Modell-Bauernhof funktioniere, würden das die anderen Bauern nachmachen und sich selbst weiterhelfen. Als Tropfen auf dem heißen Stein sieht Böhm seine Arbeit nicht. Zwar könne er nicht dem ganzen Land aus der Armut helfen, aber man habe schon mehr als 100.000 Menschen helfen können, ihre soziale Situation zu verbessern.
Karl-Heinz Böhm ist seit zwei Jahren mit einer Äthiopierin verheiratet, mit der er zwei Kinder hat. Er ist Mitglied einer afrikanischen Großfamilie geworden, in der er auch zeit seines Lebens bleiben will. „Ohne die absolute Identifikation mit der Mentalität und das Begreifen, wodurch diese Armut entstanden ist, könnte ich die Hilfe bestimmt nicht so leisten, wie ich sie heute anbiete.“ Jörg Welke
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