: Karfreitag war Waschtag
betr.: „Liberale bitten zum Tanz. In Bayern gilt: Wenn streng gläubige Christen den Karfreitag begehen, dann sollen all die Anders- und Nichtgläubigen die Füße stillhalten“, tazzwei vom 9. 4. 09
Dass der Karfreitag ein hoch zu haltender Feiertag ist, wurde den Katholiken im 19. und 20. Jahrhundert im Rheinland und Westfalen mit Hilfe des preußischen Staates beigebracht. Da wo es keine preußischen (Polizei-)Beamten gab, wurde am Karfreitag ganz normal gearbeitet, allerdings unter Einhaltung der Fastenregeln.
Ich stamme aus einem Dorf in Nordrhein-Westfalen, in dem alle Familien bis auf zwei katholisch waren. Um diesen Protestanten zu zeigen, was sie von ihrer Religion hielten, wuschen die katholischen Frauen am Karfreitag die Unterwäsche und hängten sie auch bei strömendem Regen oder Minustemperaturen auf die Wäscheleine. Ziel war nicht das Trocknen der Wäsche, sondern der Gruß an die Protestanten, wenn diese aus dem Fenster sahen. Abends wurde die Wäsche dann klatschnass beziehungsweise steifgefroren abgenommen und im Haus aufgehängt. Dann kam die Zeit, in der Katholiken nicht nur durch staatlichen Druck lernten, dass man auch die Feiertage Andersgläubiger achten sollte, und die Wäsche wurde zunächst nur noch aufgehängt, wenn es wirklich Waschwetter war, dann am Karfreitag überhaupt nicht mehr. Wenn also der bayerische Innenminister Herrmann die Karfreitagsruhe schützen will, dann in erster Linie deshalb, weil es der höchste evangelische Feiertag ist. Es ist die Achtung vor dem Feiertag einer Minderheit und nicht das Durchdrücken einer Mehrheitsmeinung. Aber ich lerne offensichtlich nie aus. Was bis in die 60er-Jahre des vorigen Jahrhunderts Ausdruck von Intoleranz war, soll wohl heute ein Zeichen von Toleranz sein?
BIRGIT PELTZER, Kerpen