Karawane reist nach Syrien: "Der Opposition etwas schuldig"
Adel Buni und Friederike Fuchs wollen mit einer "Karawane der Freiheit" nach Syrien reisen. Für Samstag rufen sie zu einer Kundgebung vors Brandenburger Tor.
taz: Herr Buni, Frau Fuchs, Sie starten am Dienstag zu einer "Karawane der Freiheit" nach Syrien. Wie hat man sich das vorzustellen?
Friederike Fuchs: Wir werden mit dem Flugzeug von Berlin nach Gaziantep fliegen, im Süden der Türkei. Von da werden wir mit Bussen in ein Protestcamp an der Grenze zu Syrien gefahren. Dort wollen wir eine Woche bleiben.
Adel Buni: Andere werden mit Zügen oder Autos anreisen. Aus den Nachbarländern, aus Europa, einige sogar aus den USA und Australien.
Adel Buni (46), Fahrradmechaniker, und Friederike Fuchs (44), Architektin, leben in Berlin. Buni zog vor 19 Jahren von Syrien nach Deutschland. Am Samstag rufen beide zu einer Solidaritätskundgebung für die "Karawane der Freiheit" auf, um 14 Uhr vorm Brandenburger Tor.
Woher stammt die Idee zu der Karawane?
Buni: Von Exilsyriern aus Kairo. Über Facebook wurde dann international zur Teilnahme aufgerufen.
Fuchs: Für uns war schon vor Wochen klar, dass wir mitreisen. Die Karawane ist eine große Chance, öffentlich auf die dramatische Situation der Menschen in dem abgeschotteten Land hinzuweisen.
Wie viele Teilnehmer werden voraussichtlich aus Deutschland anreisen?
Fuchs: Schwer zu sagen. Wir wissen noch von einem Berliner.
Buni: Die Frage werden wir wohl erst vor Ort beantworten können. Viele haben Angst, ihre Teilnahme vorher öffentlich zu machen. 50 Jahre Unterdrückung hinterlassen doch Spuren.
Was, glauben Sie, kann die Karawane bewirken?
Fuchs: Moralische Unterstützung für die Menschen, die in Syrien mittlerweile unter extremen Bedingungen für Freiheit und Würde kämpfen. Es geht um das Zeichen: Wir lassen euch nicht allein.
Buni: Wir bekennen uns klar zur friedlichen Revolution, der wichtigsten Forderung der Demonstranten. Wobei die Karawane unparteiisch über allen Ideologien und Konfessionen steht.
Wie die Aktion verläuft, ist unabwägbar. Warum muten Sie sich das zu?
Buni: Für mich geht es auch darum, so nah an das Land zu kommen wie möglich. Dieses Gefühl, mit anderen Menschen aus der ganzen Welt nah bei unseren Familien zu sein, anstatt nur machtlos vorm Fernseher oder vor Facebook zu sitzen, das spielt schon eine Rolle. Und das bin ich der Opposition auch schuldig.
Schuldig?
Buni: Ich war schon im letzten März in Damaskus, als alles anfing, meine Familie besuchen. Auf einer Mahnwache wurde ich dann mit 33 anderen verhaftet. Eine ganz harmlose Aktion, wir hatten nur stumm die Fotos von Gefangenen hochgehalten. Sprechchöre hatten wir uns gar nicht getraut. Nur durch die Proteste der Demonstranten bin ich nach zwölf Tagen wieder freigelassen worden.
Wie haben Sie den Arrest überstanden?
Buni: Es war hart. Aber so komisch es klingt: Es war auch schön. Weil ich meinen Landsleuten beistehen konnte. Der Geheimdienst war ganz irritiert, fragte immer: Was hast du als Deutscher hier zu suchen? Je größer und stärker wir als Gruppe sind, desto mehr zerstört das die Rhetorik des Assad-Regimes, der Aufstand bestehe nur aus einzelnen, ungebildeten Radikalen.
Fuchs: Für mich waren die Tage von Adels Gefangenschaft schrecklich, ich habe keine Nacht geschlafen. Ab da war ich aber auch politisiert für das Thema.
Werden Sie denn mit der Karawane auch nach Syrien einreisen?
Buni: Das wird sich zeigen - je nachdem, wie viele wir sind und wie man uns an der Grenze begegnet.
Fuchs: Also ich fände das nicht ohne. Und du darfst ja gar nicht ins Land, wegen deines offenen Verfahrens vom März.
Buni: Das stimmt. Andererseits werden wir auch Medikamente dabeihaben, die die verletzten Demonstranten dringend benötigen. Sonst müssten die Hilfsgüter wieder über Schleichwege ins Land gebracht werden.
Sind Sie auch Teil des Exilprotests in Berlin?
Fuchs: Ja. Wir beteiligen uns regelmäßig an Diskussionen und Demonstrationen. Wir wollen eine Brücke schlagen zwischen den noch relativ getrennt auftretenden Verbänden der Exilsyrer und anderen Berliner Gruppen.
Wie groß ist denn die Community in Berlin?
Buni: Insgesamt dürfte es mehrere tausend Syrer in Berlin geben, aber nicht alle bringen sich auch politisch ein. Zu den Demonstrationen kommen bis zu 500 Leute.
Kürzlich wurde der syrische Oppositionelle Ferhad Ahma in Berlin überfallen, vermutlich waren die Täter Geheimdienstangehörige. Haben Sie keine Angst?
Buni: Was ist unsere Angst schon im Vergleich zu dem Leid in Syrien?
Fuchs: Wenn wir nicht Gesicht zeigen, wie sollen es sich die Syrer trauen? Aber klar, ein bisschen Angst ist schon da.
Wie kann Ihrer Meinung nach das syrische Regime noch gestürzt werden?
Fuchs: Indem Assad endlich international isoliert und handlungsunfähig wird.
Buni: Warum sind seine Botschafter noch nicht rausgeschmissen, obwohl es täglich 20 bis 30 Tote gibt? Vor allem Assads letzte Schutzmacht, Russland, muss von ihm abrücken. Syrien braucht einen friedlichen Aufstand. Einen Bürgerkrieg wie in Libyen oder im Irak, das wäre grausam.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!