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Kaputtsparen bei Gruner+JahrKrise erreicht Kiosk

Gruner+Jahr-Vorstandschef Kundrun kündigt in einem Brief an seine Führungskräfte einen harten Sparkurs an: Das Portfolio soll um unrentable Titel bereinigt werden.

Verordneter Sparzwang: Die Financial Times Deutschland ist betroffen. Bild: dpa

Kürzlich bekamen die MitarbeiterInnen von Gruner + Jahr Post von ihrem Arbeitgeber nach Hause: 1,45 Euro Porto ließ sich das Unternehmen die Zustellung des edel gebundenen G+J-Verhaltenskodex kosten, der von allgemeiner Verteidigung der Menschenrechte bis zum Umweltschutz keine Sonntagsreden-Plattitüde auslässt. Wenn mans den Leuten nach Hause schicke, hieß es, habe das doch gleich eine ganz andere Wertigkeit als die Zustellung übers Posteingangskörbchen in der Redaktion.

Der "Chairmans Letter" von Bernd Kundrun eine knappe Woche später kam dagegen hausintern und ging nur an Führungskräfte, obwohl er alle betrifft. Inhalt: Der englischen Management-Slogans zugetane G+J-Vorstandschef packt seinen Leitspruch "Expand your brand" ein und operiert künftig unter dem Motto "Honey, I shrunk the company".

Man müsse auf die "schwere Finanz- und Wirtschaftskrise" reagieren und "im Sinne der Zukunftsfähigkeit von Gruner + Jahr" sowie "im Interesse unserer Gesellschafter Anpassungsmaßnahmen an die aktuelle und absehbare Entwicklung ergreifen".

Und die haben es in sich: "Es ist daher notwendig, dass wir in den nächsten Wochen in all unseren Ländern unser Portfolio um jene Titel bereinigen, die keine Aussicht haben, die Krise zu überstehen", schreibt Kundrun: "Denn die derzeitigen und zu erwartenden Marktbedingungen werden Titel, die sich bisher nicht überzeugend etablieren konnten, unter noch höheren Druck setzen."

Gemeint sein dürften damit in Deutschland Titel wie der Stern-Ableger View, das vor sich hin dümpelnde Frauen-Psychologie-Magazin Emotion, aber auch Prestige-Objekte des Verlags wie Park Avenue - und die Financial Times Deutschland, die die Bertelsmann-Tochter G+J erst vor neun Monaten komplett vom Mitgründer Pearson übernommen hatte.

Und bei der schon vor den Börsenturbulenzen der vergangenen Wochen Anzeigen wie Abos einbrachen. Die Betriebsräte der gefährdeten Titel hielten sich mit öffentlichen Kommentaren gestern zurück, zu groß ist die Angst, ihrer Verhandlungsposition zu schaden - so auch bei der FTD.

Der Bestand der Wirtschaftszeitung gilt zwar als vorerst gesichert, die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter aber verschlechtern sich zunehmend - wie auch in anderen Redaktionen. Darauf macht der G+J-Konzernbetriebsrat mit einem am Donnerstag verteilten Flugblatt aufmerksam: "Durch Personalabbau und Arbeitsverdichtung hat der Arbeitsdruck für die Verbleibenden in vielen Bereichen derart zugenommen, dass viele aus Angst um den Verlust des Arbeitsplatzes wie die ,Hamster im Laufrad' arbeiten."

Zu Lasten der kleinen Mitarbeiter sei genug gespart worden, schimpft der Betriebsrat. "Jetzt sind diejenigen dran, die bisher nicht auf ihre Spitzengehälter, Tantiemen und Boni, ihre Dienstwagen und sonstigen Extras verzichtet haben."

Das Flugblatt schließt mit der naiven Forderung, "die Renditeerwartungen von zehn und mehr Prozent herunter zu schrauben. Bei weniger Rendite muss keinem Mitarbeiter bei G+J gekündigt werden. Arbeit ist für alle da und sichert die Qualität unserer Produkte." Kundrun hält in seinem Brief dagegen und stilisiert sich zum Vorreiter: "Ich bin mir sicher, dass auf diesen Schritt des Marktführers G+J andere Medienhäuser mit vergleichbarem Vorgehen folgen müssen."

Sparen will der Verlag nicht nur, indem er die Spesen-, Reise- und Veranstaltungskosten überall im Unternehmen um 20 Prozent reduziert, sondern auch indem er älteren, ungeliebten Mitarbeitern Aufhebungsverträge anbietet, sie "aus dem Unternehmen drängt", wie es der Konzernbetriebsrat nennt.

Nach Ankündigung all dieser Einschnitte gelingt Kundrun am Ende seines Briefes das Kunststück, die "Führungskultur" bei G+J zu lobpreisen, die sich "positiv von vielen anderen Unternehmen und Medienhäusern" unterscheide. "Dies wollen und werden wir durch umsichtiges, verantwortungsvolles, aber auch konsequentes Handeln in dieser Wirtschaftskrise in besonderer Weise unter Beweis stellen."

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