■ Kann sein, was nicht sein darf?: Knast für Korruption
Es gibt massenweise Indizien dafür, daß dieser Stadt die größten Bestechungsskandale noch bevorstehen. Die drei Polizisten, die Bordellbesitzer vor Razzien gewarnt haben sollen, der Regierungsinspektor aus der Innenverwaltung, der offenbar mit chinesischen Schleuserbanden zusammenarbeitete, oder die drei Beamten, die 62 Führerscheine gefälscht haben sollen, sind nur die Vorboten. Schließlich gibt es noch jahrelang eine Unzahl von Geldsäcken für den Bau von Regierungsgebäuden, Dienstleistungszentren, unterirdischen Eisenbahn-, U-Bahn- und Straßenröhren und so weiter und so fort zu verteilen. Da will und wird sich mancher Antes ein Säckchen abzweigen – für den Tresor daheim.
Die Gefahr der Verlockung und die glänzenden Augen, wenn kleine Beamte über große Beträge entscheiden, ignorierten Senat und Abgeordnetenhaus bisher konsequent. Nicht nur, daß die meisten Verwaltungen regelmäßige Antikorruptionskontrollen in Form der sogenannten Innenrevision nicht haben, manche Senatoren lehnen deren Gründung auch für die Zukunft ab. 1995 entwerfen Regierende und Politiker das Bild eines wundersam unbestechlichen Beamten, den es nicht einmal in Preußen gegeben hat. Daß doch sein kann, was nicht sein darf, hat wenigstens Justizsenatorin Peschel-Gutzeit erkannt, und so wird sie einen entsprechenden Gesetzentwurf im Bundesrat vorlegen.
Wer Schmiergeld nimmt oder auch nur auf Kosten anderer sein Auto volltankt wie jüngst ein Mitarbeiter der Bauverwaltung, riskiert nach dem Vorschlag der Senatorin bald Kopf und Kragen. Auch Beschäftigte von Privatfirmen mit öffentlicher Beteiligung oder die im Auftrag der öffentliche Hand arbeiten, machen sich dann eines Verbrechens schuldig.
Da es bei Bestechung keine Opfer gibt, scheint der Wunsch nach einer Erlaubnis für das Anzapfen von Telefonen und das Legen von Wanzen allzu verständlich. Unangenehmerweise war den staatlichen Ermittlern in der Vergangenheit allerdings jeder Anlaß recht, um Grundrechte außer Kraft setzen zu wollen – einst sollte der Kampf gegen Terroristen, dann die Bekämpfung der organisierten Kriminalität als Begründung herhalten. Allein deshalb ist auch jetzt Mißtrauen angebracht. Bislang jedenfalls ist kein Beweis erbracht, daß man mit dem Großen Lauschangriff und dem Zugriff auf Büroräume und Privatwohnungen die Bestechlichkeit besser bekämpfen kann. Viel entscheidender, das lehrt das Beispiel Italien, ist die Entschlossenheit, der Korruption Herr zu werden. Dirk Wildt
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