Kandidatur um Realo-Chef der Grünen: Linksgrüne entscheiden

Volker Ratzmann bewirbt sich für den Grünen-Vorsitz und tritt gegen Cem Özdemir an. Wer der Realo neben Claudia Roth wird, liegt damit in den Händen der Linken.

Hat er das Zeug zum Ko-Grünen-Chef? Bild: dpa

Die Grünen werden auf ihrem Parteitag im November in Erfurt wählen können, ob sie lieber Cem Özdemir oder lieber den Berliner Rechtsanwalt Volker Ratzmann zum Parteichef haben möchten.

Ratzmann erklärte am Wochenende, er habe sich entschieden, als Nachfolger des scheidenden Reinhard Bütikofer zu kandidieren. Aus den Landesverbänden sei er ermuntert worden, sagte der Fraktionschef im Berliner Abgeordnetenhaus zur taz: "Ich kriege eine richtige Lust mit, die inhaltliche Auseinandersetzung zu führen."

Weil Ratzmann und Özdemir sich eigentlich nicht gegenseitig beschädigen wollen, tat Ratzmann sich zunächst allerdings etwas schwer, die inhaltlichen Unterschiede zu benennen. "Wir haben verschiedene Erfahrungshorizonte", erklärte er. Özdemir komme aus Bundestag und Europa-Parlament. Er dagegen sei Fraktionschef. Im Übrigen gehe es ihm darum, "Spielräume jenseits der SPD zu eröffnen" und mitzuwirken, dass Reformen keine Ängste mehr weckten.

Der Europa-Parlamentarier Özdemir hatte bereits Anfang des Monats erklärt, für den zweiten grünen Chefsessel neben Claudia Roth kandidieren zu wollen. Roth gilt als Kandidatin des linken Flügels als gesetzt.

Die Kampfkandidatur Özdemir gegen Ratzmann wird nun im Realo-Lager noch einige Unruhe hervorrufen. Denn wenn das Votum der Realos auf dem Parteitag gespalten ist, liegt die Entscheidung über den Realo im Parteivorsitz in den Händen der Linken und "Ungebundenen". Die Auflösung der Flügel-Arithmetik wird einerseits gerade von vielen Realos begrüßt. Andererseits fänden sie es bedauerlich, wenn ihr Kandidat ein schlechteres Ergebnis bekäme als Roth.

Ratzmann selbst sagte dazu trotzig: "Da kräht doch hinterher kein Hahn mehr danach, wie hoch die Prozentzahl war bei der Abstimmung." Antje Hermenau, die Özdemir maßgeblich zur Kandidatur gezerrt hatte, sagte zur taz: "Wir kriegen jetzt Primaries wie in den USA. Das ist doch super." Die sächsische Fraktionschefin ist zwar für Özdemir, der als Migrantenkind den "unschlagbaren Vorteil" habe, Zukunftsthemen wie Chancengerechtigkeit zu repräsentieren.

Doch begrüße sie die nun anstehenden Debatten, die beweisen würden, dass die grüne Musik im Realo-Lager spielt. "Die Linke sitzt auf den Zuschauerrängen. Sie wird der reaktionäre Teil der Grünen. Inhaltliche Neuimpulse kriegen wir von da nicht", sagte Hermenau.

Bei den Linken stieß Ratzmanns Vorstoß auf Verwunderung. Denn zwar könnte er auf manche ihrer Stimmen zählen, weil er ursprünglich im linken Lager beheimatet war. Doch bekennt er sich aktuell stets zu Koalitionen auch mit Union und FDP. "Er redet sich um Kopf und Kragen", sagte eine Linke. Es sei ihr nicht klar, auf wen Ratzmann setze, zumal Özdemir bereits einen ganzen Fanclub habe. Ratzmann wird bislang offen nur von Spitzenkandidatin Renate Künast unterstützt.

Schon am 24. Juni wollen Ratzmann und Özdemir sich den Realos in Nordrhein-Westfalen vorstellen, Anfang Juli sind sie in Schleswig-Holstein geladen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.