Kandidatenkür auf SPD-Parteitag: Der Prediger ohne Landkarte
Die schleswig-holsteinische SPD wählt Torsten Albig zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im Mai und wirbt mit Bildungspolitik. Bei anderen Themen nennt die Partei nur Ziele, aber nicht die Wege dorthin
Lübeck taz| Stärkste Partei wollen sie werden und den Ministerpräsidenten stellen - beim Parteitag am Wochenende in Lübeck beschworen die Spitzenleute der SPD Schleswig-Holstein ihren Sieg bei der Landtagswahl im Mai. Zum Start in den Wahlkampf wurde Torsten Albig, der durch einen Mitgliederentscheid bereits als Spitzenkandidat feststand, auf Platz eins der Landesliste gewählt, danach ging es um das Programm und die Kandidatenliste.
Knapp 97 Prozent der 200 Delegierten stimmten für den 48-Jährigen, der zurzeit Oberbürgermeister von Kiel ist. Zuvor hatte Albig die schwarz-gelbe Landesregierung scharf angegriffen: "Sie unterwerfen sich der Null. Und Sie merken nicht, dass Sie selbst zu Nullen werden", sagte er zu deren Sparkurs. Haushaltskonsolidierung auf Kürzungen beim Blindengeld aufzubauen, sei "schlichtweg unanständig".
Albigs Ton war verbindlicher als seine Worte: Er hatte sein Redewerk noch nicht auf Wahlkampf-Temperatur hochgeheizt, er predigte eher, statt mitzureißen. "Schon ganz der Landesvater", meinte eine Delegierte.
Die Zielvorgabe: 26 Mandate will die SPD im neuen Landtag erreichen und neun Direktmandate gewinnen - das gab Spitzenkandidat Torsten Albig vor. Der neue Landtag soll aus 69 Abgeordneten bestehen. 2009 waren es sechs Wahlkreise. Zurzeit hat die SPD 25 von 95 Sitzen.
Der Listenvorschlag kommt vom SPD-Landeschef Ralf Stegner.
Die Plätze zwei bis zehn der Liste besetzen überwiegend heutige Abgeordnete: Serpil Midyatli, Ralf Stegner, Birgit Herdejürgen, Martin Habersaat, Regina Pörsch; Wolfgang Baasch, Gitta Trauernicht, Peter Eichstädt, neu ist Beate Raudies (Elmshorn).
Die erste Gegenkandidatur gab es um Platz 27, eine weitere um Platz 34.
Die Quote: Bis Platz 28 wechseln sich Männer und Frauen ab. EST
Albig sprach von seiner Vision für Schleswig-Holstein: Bildung, starke Kommunen, Energiewende und europäische Zusammenarbeit. Zur "Politikwende" gehöre auch: "Wir machen keine Versprechungen, die wir nicht finanzieren können." Aber "niemals werden wir wegen der Lage der Haushalte eines unserer Ziele aufgeben". Das gelte besonders für die Bildung, denn wer die schwäche, "der schwächt auch die Haushalte".
Das Programm ist 35 Seiten kurz - die Grünen schrieben knapp 90, die FDP 100 und die CDU 114 - und nennt oft nur Ziele, ohne die Wege dorthin zu beschreiben. Auch auf Zahlen legt die SPD sich kaum fest. Beispiel Windenergie: "Ausreichende Flächen" für Rotoren solle es geben, doch wie viele Anlagen die SPD für angemessen hält, bleibt offen.
Beispiel Kommunalpolitik: "Starke Kommunen" sind das Ziel, ein Baustein ist eine "Reform der Verwaltungsstrukturen". Aber das 35-Seiten-Papier bleibt die Antwort schuldig, wo eine Reform ansetzen will: Sollen Kreise zusammengelegt werden oder Ämter neue Aufgaben erhalten?
Beispiel Kultur: Die SPD verspricht im Wahlprogramm kulturpolitische Leitlinien, ohne zu sagen, wohin sie führen sollen. Ein Kapitel zu Finanzen und Wirtschaft fehlt. Das heiße aber nichts, so Parteichef Ralf Stegner: "Alles, was wir früher beschlossen haben, gilt weiter."
Ausführlicher wird es beim Kernthema Bildung. Unter anderem will die SPD eine für Eltern kostenfreie Kita, auch sollen die Kreise nicht mehr verpflichtet sein, Beiträge für die Schülerbeförderung zu fordern. Regionalschulen sollen zu Gemeinschaftsschulen umgebaut werden. Vieles, was Geld kostet, soll schrittweise umgesetzt werden.
Der Vorstand wollte zu strittigen Punkten nur je einen Wortbeitrag dafür und dagegen zulassen, doch dem widersetzten sich die Delegierten. Strittig wurde es aber nur selten, etwa bei der Schülerbeförderung. Mehrfach mahnte Stegner, der während des Parteitags präsenter war als Spitzenmann Albig, "keine ungedeckten Schecks" auszustellen. Es gelte, an den grünen Wunschkoalitionspartner zu denken, der auf Einhaltung der Schuldenbremse poche.
Umfragen sehen die CDU vor der SPD, beide umwerben die Grünen. Stegner brachte auch die "Dänenampel" mit der Minderheitenpartei SSW ins Spiel. Einen Bund mit der CDU lehnt er ab. Die Abneigung beruht auf Gegenseitigkeit: CDU-Spitzenkandidat Jost de Jager nannte im NDR eine große Koalition "die schlechteste Möglichkeit".
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