: Kampfgrille beim Doping erwischt
„Das Badehaus – Xizao“ von Zhang Yang
Chinesische Filme, die auf internationalen Festivals laufen und dann manchmal in unseren Programmkinos landen, sind entweder große historische Epen oder kleine rebellische Produktionen, die meist in der Volksrepublik selbst gar nicht gezeigt werden dürfen. Sie bleiben uns meist fremd, und gerade ihre Exotik macht für uns dabei ihren Reiz aus. Im Kino gelacht wird dagegen nur, wenn Regisseur und Publikum sich darüber einig sind, was komisch ist, und deshalb gilt unter Filmverleihern die Grundregel, dass „Komödien schlecht reisen“. Ein gutes Beispiel dafür sind die zur Zeit gerade so erfolgreichen Bollywoodfilme, die zum Teil als Komödien angelegt sind, aber für uns mit ihren naiven melodramatischen Verwicklungen und Kitschorgien eher unfreiwillig komisch wirken. Um so erstaunlicher ist der Film „Xizao“ von Zhang Yang, der uns mit seinem warmherzigen Witz schnell für sich einnimmt.
Auch wir fühlen uns sofort heimisch in dem traditionellen Pekinger Badehaus, das von Meister Liu und seinem geistig behinderten Sohn Er Ming geführt wird. Die Kunden scheinen dort nicht nur zu baden, sondern auch zu leben. Den ganzen Tag über duschen und planschen sie, werden massiert, trinken, klatschen, spielen Karten und veranstalten in einem Holzkästchen Wettkämpfe mit ihren trainierten Grillen. Einer von ihnen verfüttert Ameisen-Eier an seinen stärkstes Kampfinsekt und wird deshalb vom Gegner des Dopings mit Steroiden beschuldigt. Ja, das ist witzig – und Zhang Yang inszeniert den Film auch mit einem Geschick für das komödiantische Timing, das uns auch stilistisch sehr vertraut zu sein scheint. Ganz ähnlich könnte diese Komödie auch in einem englischen Club oder einem italienischen Strandlokal spielen, und tatsächlich erinnert er mit seiner nostalgischen Wehmut manchmal an Filme von Fellini. Wie in dessen Filmen der verlorene Sohn nach Rimini zurückkehrt, besucht in „Das Badehaus“ Da Ming, der ältere Sohn von Liu, seinen Heimatort. Nach einer missverständlichen Postkarte von seinem Bruder glaubt er, seinen Vater tot oder sterbend aufzufinden, aber dieser ist putzmunter taucht immer noch mit Er Ming darum um die Wette, wer am längsten die Luft anhalten kann. Der erfolgreiche Geschäftsmann Da Ming will nur ein paar Tage bleiben, aber als sich herausstellt, dass das alte Stadtviertel und somit auch das Badehaus abgerissen werden soll, bleibt er für die letzten Tage dieser nachbarschaftlichen Institution bei seiner Familie.
Natürlich beklagt der Filmemacher Zhang Yang hier auch den Untergang der traditionellen chinesischen Kultur. Einer der Badegäste ist ein typischer moderner Geschäftsmann mit ständig klingelndem Handy, und der Film beginnt mit dessen Traumvision von einer vollautomatischen Bademaschine, die wie eine Autowaschanlage den Kunden in wenigen Arbeitsgängen gründlichst reinigt und der Essmaschine in Charlie Chaplins „Modern Times“ ähnelt.
Das Badehaus ist dagegen ein Ort, in dem es sich gut leben lässt, in dem Freundschaften gepflegt, und die Schwachen von der Gemeinschaft gestützt werden. Hier hat auch Er Ming seinen Platz. Alle kennen ihn seit seiner Kindheit und er ist stolz, wenn er die Gäste empfängt oder sie massiert. Das enge Verhältnis zwischen ihm und seinem Vater bildet das emotionale Zentrum dieses Films (in dem Frauen nur als Störenfriede auftauchen), und ohne dabei sentimental zu werden, macht Zhang Yang hier auch berührendes Gefühlskino, in dem zugleich heiter und elegisch universelle Motive wie Treue, Freundschaft und Vergänglichkeit behandelt werden. Auch dadurch erscheint uns dieser chinesische Film so überraschend vertraut. Wilfried Hippen