piwik no script img

Kampagnenbündnis "Steuer gegen Armut"Steuer ins Parlament

Attac, Polizeigewerkschaft und Bischöfe sammeln Unterschriften für die Tobinsteuer. Bis Anfang Dezember müssen 50.000 Menschen die Petition im Internet unterzeichnen.

Das Kampagnenbündnis "Steuer gegen Armut" will erreichen, dass sich der Bundestag mit einer Transaktionsteuer auf spekulative Finanzgeschäfte befasst. Bild: screenshot

HAMBURG taz | Das Kampagnenbündnis "Steuer gegen Armut" will erreichen, dass sich der Bundestag mit einer Transaktionsteuer auf spekulative Finanzgeschäfte befasst. Damit sich die Volksvertreter in aller Öffentlichkeit mit der sogenannten Tobinsteuer befassen, müssen bis Anfang Dezember 50.000 Menschen die Petition des Bündnisses, das 38 Organisationen vereint, im Internet unterzeichnen.

Die Chancen für die Einführung einer Finanztransaktionsteuer scheinen besser denn je. Im Jahr 2001 hatte das französische Parlament noch recht einsam beschlossen, eine nationale Tobinsteuer einzuführen, wenn dies in allen Ländern der EU geschähe. Doch das war vor der Krise. In diesem Herbst wurde ein entsprechender Vorschlag des österreichischen Bundeskanzlers Werner Faymann (SPÖ) auch von dem rechten französischen Präsidenten Sarkozy, dem britischen Labour-Premier Gordon Brown und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) unterstützt. Auch der frühere Banker, Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) und heutige Bundespräsident Horst Köhler fordert eine Finanztransaktionsteuer.

Den starken Worte folgten allerdings keine Taten. Das will "Steuer gegen Armut" ändern. Dahinter stehen etwa Attac, die Gewerkschaft der Polizei, die Bischöfliche Aktion Adveniat, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), die GLS Bank und Brot für die Welt. Sie fordern die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, um die Spekulation einzudämmen. Aus den Erträgen der Steuer soll zudem die Armut weltweit bekämpft werden. Das Kampagnenbündnis hat eine Petition beim Bundestag eingereicht, die online unterstützt werden soll. Prominente Unterzeichner sind bislang Hermann Imhof (CSU) und Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD), Sahra Wagenknecht (Linkspartei) und Ludger Vollmer (Grüne). Gesucht werden noch über 40.000 Mitunterzeichner innerhalb von kaum zwei Wochen, Stichtag ist der 3. Dezember.

Unterschreiben genügend Menschen, muss sich der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages öffentlich mit der Tobintax befassen. Attac-Sprecher Detlef von Larcher erhofft sich von einer solchen öffentlichen Anhörung eine große Medienresonanz: "Mehr Öffentlichkeit bedeutet mehr öffentlichen Druck", sagte er der taz. Im Erfolgsfall würde der Petitionsausschuss Bundestag und Bundesregierung empfehlen, eine Finanztransaktionsteuer zu beschließen.

Die Aktion könnte durchaus erfolgreich sein. Im vergangenen Jahr hatte der Petitionsausschuss 17.091 Eingaben überwiegend von Einzelpersonen bearbeitet. Immerhin vier von zehn Petitionen unterstützte der Ausschuss. Meist geschah dies hinter verschlossenen Türen. Fast so neu wie die Steuerkampagne ist auch, dass Bürger ihre Eingabe per Internet über die Seite "ePetitionen" wegschicken können. Die ist allerdings noch wenig benutzerfreundlich. Einfacher ist die Eingabe unterstützt über die Internetseite der Kampagne Steuer gegen Armut (www.steuer-gegen-armut.org).

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

2 Kommentare

 / 
  • DH
    Dr. Hildegard Kirsch-Schäfer

    Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Dr. Merkel,

    sehr geehrter Herr Seehofer,

    sehr geehrter Herr Dr. Westerwelle,

     

    wir, die Unterzeichner, fordern die neu gewählte Bundesregierung auf, eine Finanztransaktionssteuer einzuführen und dafür einzutreten, dass sie auch von anderen Ländern umgesetzt wird. Die Finanztransaktionssteuer ist nicht nur ein Beitrag zu mehr Stabilität auf den Finanzmärkten, sondern generiert auch finanzielle Mittel, die für die globale Armutsbekämpfung verwendet werden können. Wir begründen unsere Forderung wie folgt:

     

    Mehrfach seit Anfang der 1970er Jahre war Spekulation bereits Mit-Ursache von Finanz- und Bankenkrisen. Spekulation war auch mitverantwortlich für die globale Nahrungsmittel- und Rohstoffkrise 2008 sowie die gegenwärtige Weltwirtschaftskrise. Weitere Ursachen für die genannten Krisen sind u.a. die zunehmende Komplexität der Finanzprodukte und die Geschwindigkeit, mit der Finanztransaktionen heutzutage abgewickelt werden.

     

    Die Folgen der Krisen sind weltweit sehr ungleich verteilt. Zwar leiden auch reiche Staaten darunter. Doch sie können Milliarden US$ aufwenden, um die Krisenfolgen aufzufangen. Die meisten Entwicklungsländer hingegen leiden unter Einbrüchen bei ausländischen Direktinvestitionen, im Export, Rohstoffverkauf und Tourismus, bei Rücküberweisungen von Migranten und der Entwicklungshilfe. All dies gefährdet den Zeitplan zur Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele.

     

    Für diese beiden Problemfelder gibt es aber ein geeignetes Mittel: Eine Finanztransaktionssteuer, die über die von James Tobin 1972 vorgeschlagene Devisentransaktionssteuer hinausgeht und alle spekulationsrelevanten Finanztransaktionen einbezieht. Eine solche Steuer kann EU- und weltweit umgesetzt werden. Bis dies der Fall ist, sollen auf nationaler Ebene vorbereitende Schritte unternommen werden, z.B. unterstützende parlamentarische Entschließungen oder die Einführung einer Börsenumsatzsteuer.

     

    Eine Finanztransaktionssteuer hätte aus unserer Sicht etwa folgende Vorteile:

     

    * Finanztransaktionen werden entschleunigt und so die (Selbst-)Kontrolle über das Geschehen an den Finanzmärkten verbessert.

    * Die Finanztransaktionssteuer ist einfach umzusetzen, da sie keine Ausnahmen zulässt. Sie betrifft alle Marktteilnehmer in ähnlicher Weise, da alle spekulationsrelevanten Finanztransaktionen der Steuer unterliegen.

    * Die Steuer macht kurzfristige Spekulationen unrentabler. Mittel- und langfristige Investitionen werden, aufgrund eines niedrigen Steuersatzes zwischen 0,1 und 0,01%, nicht behindert.

    * Die Finanztransaktionssteuer ist kein Allheilmittel. Sie kann aber mit dazu beitragen, dass globale Krisen zukünftig weniger häufig auftreten und weniger heftig verlaufen.

     

    Die Einführung einer solchen Steuer wäre an sich schon ein Erfolg, weil alle Länder von einer stabileren Weltfinanz- und Wirtschaftsordnung profitieren. Darüber hinaus würde die Steuer gleichzeitig national ein- bis zweistellige, global aber dreistellige Milliardenbeträge generieren, die zur Umsetzung der Millenniums-Entwicklungsziele sowie anderer Maßnahmen zur Entwicklung und Armutsbekämpfung verwendet werden können.

     

    National und international findet die Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer zunehmendes Gehör. Auf dem Gipfel der G20-Staaten in Pittsburgh Ende September wurden sowohl die Ursachen als auch die Folgen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise als zentrale Herausforderungen des gemeinsamen politischen Handelns betont. Im Vorfeld der Bundestagswahl haben sich die Bundeskanzlerin und fast alle Parteien befürwortend zur Einführung einer solchen Steuer geäußert.

     

    Wir hoffen, dass es sich dabei nicht bloß um Wahlkampftaktik gehandelt hat, denn auch wir erachten es als wichtig, dass die Finanztransaktionssteuer, neben anderen Maßnahmen, auf die Reformagenda des globalen Finanzsystems gehört. Zugleich wollen wir sicherstellen, dass der Finanzsektor zur Bewältigung der Krisenfolgen beiträgt und so generierte Gelder nicht nur den Haushalten reicher Staaten zufließen.

  • JK
    Juergen K.