■ Kambodscha: Die Eskalation wäre vermeidbar gewesen: Absehbare Explosion in Phnom Penh
Kambodscha am Wochenende: Die Armee schießt in der Hauptstadt aufeinander. Die beiden verfeindeten Premierminister sind ins Ausland verschwunden und beschuldigen sich gegenseitig, einen Bürgerkrieg zu führen und den anderen per Staatsstreich aus dem Amt jagen zu wollen. Der einzige Oppositionspolitiker, der es in den letzten Monaten wagte, die Regierung zu kritisieren, ist ebenfalls außer Landes, weil er einen Mordanschlag fürchtet. Das Parlament tagt seit über drei Monaten nicht mehr – die Abgeordneten erscheinen nur noch am Zahltag. Und der König weilt in Peking, weil er so unglücklich über die Entwicklung in seiner Heimat ist, und appelliert dafür an „seine Kinder“, sich zu vertragen. Für die KambodschanerInnen, die sich endlich Frieden wünschen, ist die Aussicht zum Verzweifeln: Wer kann ihnen jetzt noch helfen? Wer könnte und wollte die Politiker in Phnom Penh dazu bringen, ihren Machtkampf zu beenden?
Die Explosion der letzten Tage war absehbar. Seit Monaten haben die Regierungschefs, Prinz Norodom Ranariddh und Hun Sen, aufgerüstet. Fast die Hälfte des Budgets floß zum Militär und in die Polizei. Schlimmer noch: Beide haben viele Millionen Dollar am Staatshaushalt vorbeigeschleust und so ihre eigenen Truppen finanziert. Ein großer Teil stammte aus dem Raubbau der Regenwälder.
Das alles war bekannt. Dennoch haben die Industrieländer und reicheren Nachbarn der Regierung vor wenigen Tagen 450 Millionen Dollar Hilfe für 1998 zugesagt – ohne Bedingungen zu stellen. Sie beließen es statt dessen bei dürren Ermahnungen. Dennoch hat die südostasiatische Staatengemeinschaft Asean beschlossen, Kambodscha im Juli aufzunehmen. Begründung unter anderem: Der Club mische sich aus Prinzip nicht in die inneren Angelegenheiten ihrer Mitglieder ein.
Niemand hat die kambodschanischen Politiker gezwungen, sich um den Aufbau des Landes und um das Leben ihrer Bevölkerung zu kümmern – und nicht nur um ihre eigenen Pfründen. Jetzt wieder nach der UNO zu rufen wäre sinnlos. Vor vier Jahren ist die Weltorganisation in Kambodscha schon einmal mit dem Vorhaben gescheitert, eine stabile, demokratische Regierung zu installieren. Sie wird es nicht wieder versuchen. Die Kambodschaner, geschlagen vom Pol-Pot-Regime, von der vietnamesischen Besatzung und dem Bürgerkrieg, müssen wohl auf ein Wunder hoffen – oder selbst dafür sorgen. Jutta Lietsch
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