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Archiv-Artikel

„Kalter Krieg“

betr.: „Bei Judenhass hört die Diplomatie auf“, Kommentar von Philipp Gessler, taz vom 22. Juli 2004

Israel befindet sich mit den arabischen Staaten und dem Iran im „Kalten Krieg“, dies erschwert den Nahost-Frieden und ist somit bedauerlich, dennoch ein Fakt. Im Kalten Krieg überschatten gegenseitige Feindbilder und Propaganda die normalen Beziehungen. Für die islamistische Elite im Iran beispielsweise ist Israel der regionale Hauptfeind, so lässt die Propaganda auch keine Gelegenheit aus, um das Feindbild Israel zu festigen. Dabei hat die Propaganda ein ziemlich leichtes Spiel, die israelische Besatzungspolitik und die tagtägliche Demütigung der Palästinenser liefern dafür schon hinreichend Stoff. Erstaunlich, dass die Empörung der Iraner trotz der Regierungspropaganda nicht in Antisemitismus umschlägt, offensichtlich fallen die Menschen dort nicht der Versuchung anheim, aus der israelischen Besatzungspolitik eine jüdische Verschwörung gegen die Muslime zu machen.

Die Gleichsetzung der propagandistischen Instrumentalisierung von Israels Besatzungspolitik in den Medien islamischer Länder mit Judenhass, wie Philipp Gessler unterstellt, ist irreführend. Schlimmer noch ist, dass er die Bundesregierung auffordert, ihre Außenpolitik gegenüber dem Iran, Syrien und Ägypten wegen angeblichen „Judenhasses“ dieser Staaten zu ändern. Geht es Herrn Gessler wirklich um den allseitigen Kampf gegen den Antisemitismus oder darum, die deutsche Außenpolitik – unter dem Deckmantel der Antisemitismusbekämpfung – mit Scharons Außenpolitik gegenüber den islamischen Staaten kompatibel zu machen, und das zu einem Zeitpunkt, wo Scharon durch den völkerrechtswidrigen Mauerbau auf dem besten Wege ist, Israel in die vollständige Isolation zu treiben? Die Gleichsetzung der Empörung über Israels Besatzungspolitik mit Judenhass kommt einer durch nichts zu rechtfertigenden Instrumentalisierung der jüdischen Opfer des Faschismus und des Antisemitismus gleich. Die blinde Unterstützung von Israels Besatzungspolitik hat mit der Bekämpfung des Antisemitismus nicht das Geringste zu tun. Ganz im Gegenteil wird dadurch Wasser auf die antisemitischen Mühlen gegossen und in meinen Augen dem weltweiten Antisemitismus im Endeffekt zusätzlich Auftrieb verschafft. Umgekehrt wird der Kampf gegen den Antisemitismus erst dadurch glaubwürdig und wirkungsvoll, wenn er mit der klaren Absage an Israels Besatzungspolitik verknüpft wird.

MOHSSEN MASSARRAT, Osnabrück