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Archiv-Artikel

Kalte Korallen kahl rasiert

Schifffahrt, Verschmutzung und Tankerunfälle, Überfischung und Beifang: Nord- und Ostsee sind weiterhin gefährdet, warnt Umweltverband WWF

Verschmutzung und Überfischung machen der Nord- und Ostsee trotz zahlreicher europäischer Meeresschutzabkommen mehr denn je zu schaffen: „Der Patient ist immer noch krank“, sagte gestern der WWF-Referent für internationalen Meeresschutz, Stephan Lutter. Die Umweltstiftung WWF fordert wirksame Maßnahmen zum Meeresschutz.

Gemäß den Themen der Umweltministerkonferenz, die ab morgen in Bremen tagt, hat der WWF sein Augenmerk vor allem auf die Schifffahrt, den Schutz von Arten und Lebensräumen und die Fischerei gerichtet. Lutter fordert, dass ein Netz von Meeresschutzgebieten ausgewiesen wird. Zur Erholung der Fischbestände müsste etwa für den Nordsee-Kabeljau ein zehnjähriges Fangverbot erlassen werden, sagte die WWF-Referentin für Fischerei, Heike Vesper. Weltweit seien 70 Prozent der Bestände überfischt, das gelte auch für Nord- und Ostsee. Ein zusätzliches Problem sei der sogenannte „Beifang“: Allein in der Nordsee würde jedes Jahr etwa 150.000 Tonnen „nicht vermarktungsfähiger Fisch“ zurück ins Meer geworfen, über 7.500 Schweinswale ertränken jährlich in den Fischernetzen.

Auch die Art der Fischerei sei problematisch: Vor allem durch die Bodenfischerei mit tonnenschweren Schleppnetzen würden große Flächen des Nordseebodens bis zu 20 Mal im Jahr „umgepflügt“, erläuterte Vesper. Außerdem würden 4.500 Jahre alte Kaltwasserkorallen zerstört. Diese wachsen etwa einen Zentimeter im Jahr und bieten bis zu 800 Fischarten und Wirbellosen einen Lebensraum – solange sie intakt sind.

WWF-Schiffahrtsexperte Jochen Lamp forderte für schwierige Fahrwasser wie die Kadettrinne oder die dänischen Belte die Einführung einer Lotsenpflicht, satellitengestützte Verkehrsmelde- und Lenksysteme und ein vorgezogenes Fahrverbot für einwandige Öltanker. Außerdem fehle eine Eisklassifizierungspflicht: „Im vorigen Winter waren Tanker mit einer Zulassung für 30 Zentimeter dickes Eis im Nordatlantik in 70 Zentimeter festem Eis unterwegs“, erklärte er. „Ein großer Tankerunfall“, warnt Lutter, „und das Leben in Nord- und Ostsee wäre innerhalb von Tagen für Jahrzehnte zerstört.“

Der WWF stützt seine Forderungen auf eine gestern vorgelegte Studie über „Gefahren für die Meeresumwelt durch Schifffahrt und Fischerei“ (www.wwf.de). ulrike bendrat