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Kalles 61 Sekunden

■ Rocchigiani blaß - „Bomber“ Heistermann in Brass / Stan Johnson, „The Animal“, ging nach einer Minute auf die Bretter

Alles beim Profi-Box-Abend am Freitag in der Deutschlandhalle war auf den alten und neuen Weltmeister Graciano Rocchigiani zugeschnitten. Die Zuschauer kamen, so schien es, nur seinetwegen, RTLplus zahlte für die Live -Übertragung mehr als 100.000 Mark, ein südafrikanischer Sender kam gleich mit vier Kommentatoren und draußen protestierten Apartheid-Gegner mit Chören und Handzetteln gegen den Zulu und Herausforderer Sugar Boy Malinga, der ein Boxer der Weißen sei. Spot an, Fanfarenklänge: Rocchigiani erschien, spulte für eine Börse von 400.000 Mark brutto fünfzig Minuten Mittelmaß ab, siegte wenig spektakulär nach Punkten, sagte kurz, daß „es ihm leid tut, keinen guten Kampf“ gezeigt zu haben und verschwand , unter Blitzlichtgewitter, „zum Feiern“ - Grund genug, nicht mehr viele Worte über diesen Fight zu verlieren.

Aber in der Deutschlandhalle gab nicht nur große, sondern auch kleine Geschäfte. Zum Beispiel: Die 61 Sekunden des letzten Kampfes zwischen Publikumsliebling und Lokalmatador Kalle Heistermann (27) und dem US-Amerikaner Stan Johnson, genannt „The Animal“. Schon beim Einwiegen war dem Berliner die Spucke weggeblieben. Sein Gegner sah alles andere als harmlos aus. Box-Paradox: Der „Bomber“, wie Heistermann tituliert wird, wurde Opfer eines Vorganges, der im Profi -Boxen auf unterer Ebene keine Seltenheit hat. Johnson, gegen jede Boxer-Weisheit, ging wie ein Berserker auf Heistermann zu, schlug Löcher in die Luft und lag nach einer linken Geraden des „Bombers“ flach auf der Nase.

Das Publikum johlte, Heistermann tänzelte kopfschüttelnd durch den Ring, wirkte irritiert und gewann den Kampf durch technischen K.O. So einfach hatte er sich die Aufgabe, höhere sollen folgen, nun auch nicht vorgestellt. Es gab nicht Wenige, die meinten, es war ihm zu leicht gemacht worden. Dazu paßt auch eine Äußerung von Werner Papke, dem Trainer Heistermanns: „Aus dem Jungen soll doch nochmal was werden.“ Zweifellos: Wenn ein „Bomber“ im Rahmenprogramm einer WM nach 61 Sekunden gewinnt, dann ist das keine schlechte Werbung. There is no buisiness, like show -business, sagen die Amis. Und daher kommt doch dieser mysteriöse Herr Johnson.

hosch

(mehr über Rocchigiani: Seite 10)

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