■ Bewährung für Todesfahrer: Kalkulierte Schuld
Ein Polizist fährt zu schnell, verliert die Kontrolle über sein Fahrzeug, zwei Kinder sind tot. Der Fahrer wird zu sieben Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Eine zu milde Strafe? Nein.
Sicher muß gerade die Polizei Vorbild sein. Und sicher hätte der 31jährige Todesfahrer die Gefahr von Rollsplitt überschauen müssen. Auf der anderen Seite wird von „Freund und Helfer“, Feuerwehr und Rettungsdienst verlangt, so schnell wie möglich am Tatort zu sein, wenn sich Kneipengäste die Schädel einschlagen. Als strafmildernd muß aber ein Grund gelten, den das Gericht im Schloßbrücken-Prozeß nicht berücksichtigt hat: Straßenverkehrsunfälle werden einkalkuliert. Mit dem Risiko „Autoverkehr“ wurden laut einem Gutachten von 1989 auf jedem Westberliner Kilometer Hauptstraße für 1,6 Millionen Mark und auf jedem Ostkilometer für 0,86 Millionen Mark Sach- und Personenschäden hingenommen. Diese Statistik bedeutet auch, daß jeden Tag 70 Kinder auf Berlins Asphalt angefahren werden. Zwei bleiben ihr Leben lang Krüppel. Stadtplaner wissen, wie diese Kosten – und damit die Zahl der Unfallopfer – reduziert werden könnten: Ein Straßennetz, auf dem nicht mehr gerast werden kann, denn überhöhte Geschwindigkeit ist Unfall-„Ursache“ Nummer eins. Doch der Senat will keine Konsequenzen ziehen. Die noch von der damaligen Umweltsenatorin Michaele Schreyer (Bündnis 90/Die Grünen) in Auftrag gegebene Studie scheint für immer in Verwaltungsschubladen verschwunden zu sein.
Unfalltäter härter bestrafen, wäre wie den Sack schlagen, obwohl man den Esel meinte. Die Schuld daran, zwei Menschenleben ausgelöscht zu haben, wird ohnehin schwerer zu tragen sein als jede Strafe. Dirk Wildt
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