Kahlschlag in Mitte: Abriß im Flächendenkmal
■ Auch im Flächendenkmal Spandauer Vorstadt soll die Abrißbirne wüten / Der Bezirk ist jedoch optimistisch / Eigentümer beantragte Abriß gleich bei Nagel
Die Gipsstraße ist bisher von vielem verschont worden. Wie die Auguststraße blieb sie als historisches Ensemble der Spandauer Vorstadt weitgehend erhalten, und auch vor den touristischen Massenströmen zwischen der Oranienburger und Auguststraße konnte sie sich bislang erfolgreich verstecken. Dies könnte sich freilich bald ändern. Zwischen Gipsstraße, Rosenthaler Straße und Sophienstraße plant die ArcOp Marketing GmbH für 240 Millionen Mark ein „Haus der Werbung“, ein Großprojekt, das im Bezirk nicht nur auf Zustimmung stößt.
Auf dem Gelände des ehemaligen Kaufhauses Wertheim (zu DDR-Zeiten war hier die Dewag-Werbeagentur) sollen nämlich nicht nur Büros und Wohnungen entstehen, sondern auch 150 Tiefgaragenplätze sowie „drei Pavillons im Wasser“. Die Gipsstraße 17, eines der historischen dreigeschossigen Wohnhäuser der Spandauer Vorstadt aus dem Jahre 1834, sollte hierfür zunächst abgerissen, nun aber durch eine Überbauung mit weiteren drei Stockwerken zur Unkenntlichkeit entstellt werden. Für den Bezirk ein Unding. „Das Gebäude muß als Wohnhaus saniert werden“, fordert die Baustadträtin von Mitte, Dorothee Dubrau. Auch die Lücke nebenan, sagt sie, müsse mit Wohnungsbau geschlossen werden. Noch ist nicht entschieden, ob die Investoren gegen die Entscheidung des Bezirks in den Widerspruch gehen.
Der Abriß-/Bauantrag für die Gipsstraße ist einer von insgesamt 22 geplanten Abbrüchen in der Spandauer Vorstadt. Anders als in der Friedrichstadt ist Mittes Baustadträtin Dorothee Dubrauch jedoch optimistisch, einen Kahlschlag verhindern zu können. Der Grund: Das Gebiet zwischen Friedrichstraße, Spree, Wilhelm-Pieck-Straße und Alter Schönhauser Straße wurde im Mai 1990 unter Flächendenkmalschutz gestellt und überdies im vergangenen Jahr zum Sanierungsgebiet bestimmt. Doch nicht immer fügen sich die Eigentümer den bezirklichen Planungswünschen.
In der Johannisstraße 11, einem denkmalgeschützten Gebäude, 1895 erbaut, bis 1907 Polizeistation, danach als Klinik und Ärztehaus genutzt, will die Norddeutsche Metall-Berufsgenossenschaft ein Bürohaus errichten. Gegen die Ablehnung des Abrisses durch den Bezirk ging der Eigentümer in Widerspruch. In der Oranienburger Straße 12 gar reichte der Bauherr, die GKS & Haus der freien Wohlfahrtspflege, ihr Abrißbegehren gar nicht erst beim Stadtplanungsamt ein, sondern ging gleich zu Bausenator Wolfgang Nagel. Kristina Laduch: „Absolut unüblich.“
Für zwei Häuser in der Spandauer Vorstadt kommt indes jede Hilfe zu spät. Für die Mulackstraße 2 gibt es bereits eine Abrißbewilligung, da das Gebäude laut Bezirk nicht mehr zu retten sei, und auch in der Linienstraße 103 darf, von der Fassade abgesehen, neu gebaut werden. Vor zwei Jahren war das Gebäude aus bisher ungeklärten Gründen ausgebrannt. Einen kompletten Neubau hat man dem Eigentümer allerdings nicht erlaubt. „Die historischen Geschoßhöhen“, sagt Denkmalschützerin Eva-Maria Eichler, „müssen eingehalten werden.“ Uwe Rada
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