piwik no script img

Kaffeekunst in BerlinMystischer Mokka

Barkeeper, IT-Techniker, fast Geophsyiker. Mit 50 Jahren beschloss der gebürtige Istanbuler professionell Kaffee zu kochen und macht Kunst aus den Resten.

Seit drei Jahren ist Türkmen mit seinem mobilen Shop „Wüstenmokka & Art“ in verschiedenen Ecken der Stadt unterwegs Foto: İsmail Eskin

„Menschen verbringen ihr Leben damit entweder über ihre Vergangenheit oder Zukunft nachzudenken. Niemand lebt im jetzigen Moment.“ Dieser Spruch stammt von jemandem, den Sie vielleicht schon an einer der vielen Ecken von Berlin getroffen haben. Er verkauft Türkischen Mokka, zubereitet auf glühend heißem Sand, und malt Bilder aus dem Kaffeesatz seiner Gäste – Hakan Türkmen ist ein Kaffeekünstler.

Wiedergefundene Sprache

Mitte der 60'er Jahre, als er ungefähr zwei Jahre alt war, zog seine Familie von Istanbul nach Berlin-Schöneberg. Da er zu dieser Zeit gerade das Sprechen lernte, vergaß er durch die neue Umgebung die türkische Sprache. Im Kindergarten sprach er eine Weile gar nicht, lernte dann aber relativ schnell Deutsch.

Türkmen spielte in seiner Jugend Volleyball und war Trainer verschiedener Sportteams, wie dem SC Steglitz und dem Kreuzberger Frauenteam SC Umutspor. Im letzteren lernte er von den türkeistämmigen Spielerinnen erneut türkisch. „Wenn ich Fehler machte, lachten die Türken in der Mannschaft.“

Sandmokka mit Lokum

Im letzten Jahr seines Geophysikstudiums brach er ab und arbeitete in den folgenden Jahren in verschiedenen Jobs, darunter als Barkeeper und IT-Techniker. Als er 50 Jahre alt wurde machte er Schluss mit den Nebenjobs und fragte sich: „Was will ich eigentlich tun?“. Die Antwort fand er seiner Heimat Istanbul im Bezirk Kadiköy: „Sandmokka“. Diesen wollte er nach Berlin bringen und ließ sich ein spezielles Fahrrad mit einer Verkaufstheke anfertigen.

Seit drei Jahren ist Türkmen mit seinem mobilen Shop „Wüstenmokka & Art“ in verschiedenen Ecken der Stadt unterwegs. Seine Theke baut er meist in Kreuzberg auf, aber auch auf Festivals ist er anzutreffen. Für 2,50 Euro gibt es den Sandmokka in orientalisch verzierten Kaffeetassen, serviert mit Lokum und Wasser. „Ich versuche, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen und ihnen so den Stress des Alltags zu nehmen.“

Zauber des Moments

Für Türkmen bedeutet sein neues Geschäft Freiheit. Es macht ihn glücklich mit Menschen zusammen zu sein, doch irgendetwas fehlte noch in seinem Beruf. So beginnt er Bilder aus dem Kaffeesatz zu malen. In vier verschiedenen Ausstellungen waren seine Werke bereits zu sehen. 2016 gewann er auf dem „Karneval der Kulturen“ den ersten Preis als „bester Stand“.

„Meine Arbeit bedeutet für mich ‚Grenzenlosigkeit‘. Ich hätte ja auch einen Laden eröffnen können, aber ich will mich an nichts mehr binden.“, so Türkmen. Er habe auch schon früher Bilder gemalt und fand durch den Kaffee wieder zur Kunst. Außerdem glaube der Kaffeekünstler auch an das Mystisches, wie den „sechsten Sinn und den Zauber des Moments.“ Sobald die Kunden ihren Mokka ausgetrunken haben, bebildere er mit einem Löffel und einem Pinsel seine Gefühle auf einer Leinwand. „Somit habe ich die Lücke füllen können.“, so Türkmen.

Interessante Begegnungen

Über Hundert Bilder hat er bisher aus Kaffeesatz geschaffen. Jedes aus dem Kaffee eines Kunden, denen er auch stets die Geschichte des Mokka erzählt, die von Äthiopien bis zu den Osmanen reicht. Andersherum erfährt er auch interessante Geschichten aus dem Leben seiner Kunden. Eine davon ist die Geschichte einer Frau, die auf einem Marktplatz mit den Worten „Ich bemerke hier eine ungewöhnliche Energie.“ auf ihn zukam und ein „spezielles Bild“ von ihm verlangte.

„Sie wollte wissen, was ich auf dem Bild sehe. Ich sah eine Frau mit hochhackigen Schuhen und zwei Ringen, die aus einem geschlossenen Raum tritt.“, berichtet Türkmen. Die Frau sei überrascht über seine Antwort gewesen, denn sie war eine Sexarbeiterin, die bald heirate. Diese und andere interessante Begegnungen bestärken Türkmen in seiner Entscheidung Kaffeekünstler zu sein: „Ich bin auf dem richtigen Weg.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!