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Archiv-Artikel

Kaffee bleibt handgebrüht

Technisch wäre es längst möglich, das Heim per Internet zu belüften, die Wanne ferngesteuert einzulassen und die Pizza per Handy zu erhitzen. Aber wer will schon vollautomatisch wohnen?

AUS BERLIN MATTHIAS URBACH

Das moderne Haus braucht keinen Schlüssel: Ein kurzer Anruf mit dem Handy öffnet dem heimkehrenden Urlauber nicht nur die Tür, es erweckt das ganze Haus zum Leben: Das Licht wird eingeschaltet, ein Bad eingelassen und durch die Maschine in der Küche läuft auf Wunsch der Kaffee. Während man fort war, hat es die Lieblingssendungen aufgezeichnet und auf sich aufgepasst: Ab und zu ging hier ein Licht an, dort wieder aus, um die Abwesenheit der Hausherren zu vertuschen. Kurz vor Ankunft lüftete es kräftig durch. Der Getränkedienst brachte eine Kiste Bier in den Lieferschrank neben der Haustür. Als der Bote klingelte, wurde er gleich aufs Handy weitergeleitet. Alles was der Urlauber tun musste, war, per Telefon den Schrank zu öffnen.

Am Verbraucher vorbei

So etwa sieht sie aus, die Vision vom „automatisierten Haus“. Heute ist sie in Berlin den letzten Tag zu bewundern, im Maßstab 1:3, auf dem Stand von Tobit Software auf Berliner „ehome“-Messe. Etwa 20.000 bis 30.000 Euro kostet so eine Ausrüstung, sagt Dieter von Acken von Tobit. Seine Firma liefert die Software, die alles vom PC aus und einem handtellergroßen PDA-Computer steuert. Nur leider interessiert sich kaum ein Kunde dafür, denn die Messe hat es nicht geschafft, nennenswert Verbraucher zu locken. Die wenigen Besucher in den zwei recht leeren Hallen sind vom Fach.

Es seien halt die falschen Tage, klagt von Acken. Man hätte die Messe am Wochenende öffnen sollen. Trotzdem weiß auch er, dass seine Branche vom Massenmarkt noch weit entfernt ist. „Wenn sie das alles im Baumarkt kaufen und selbst zusammenstöpseln können, erst dann geht der Markt richtig ab.“

Warum der Markt trotz euphorischer Prognosen auf den beiden Messen zuvor noch nicht abging, obwohl „die Technologie da ist“, das ist hier eine der Kernfragen auf dem parallel stattfindenden Kongress. Zwar spricht die Messe-PR euphorisch davon, dass sich die Zahl der „vernetzten Haushalte“ in Deutschland zwischen 2002 und 2003 auf 2,2 Prozent verdreifacht habe. Aber solche Zahlen sagen nicht viel aus. Gilt doch schon ein Haus als vernetzt, das nur den Zählerstand seiner Heizung elektronisch an die Ablesefirma weitergibt.

So recht kommt bisher nicht beim Kunden an, dass es nötig sei, seine Pizza schon vom Auto aus aufzuwärmen. Dass die Bedürfnisse nicht in den Köpfen von Ingenieuren, sondern in den Herzen der Verbraucher entstehen, illustriert der Panik-Knopf. Die Johanniter etwa bieten so einen Dienst für allein lebende Senioren. Sie können per Knopfdruck auf ihr Armband Hilfe rufen, falls ihnen allein zu Hause etwas zustößt. Über 32.000 Kunden und bis zu 20 Prozent jährliche Zuwachsraten verzeichnen die Johanniter. Insgesamt 250.000 Rentner nutzen bereits solche Hausnotrufe. Eine kleine, feine Anwendung, für die man nicht das ganze Haus verkabeln muss.

Nur Unterhaltung zieht

„Wichtig ist die Verknüpfung mit Dienstleistungen“, schließt daraus der Fraunhofer-Forscher Viktor Grinewitschus vom InHaus-Projekt in Duisburg. „Vollautomatisches Wohnen“ habe dagegen nur eine geringe Akzeptanz. Es sei gut, dass das Thema inzwischen tiefer gehängt würde: „Weg vom sich selbst befüllenden Kühlschrank“, und „hin zu den konkreten Bedürfnissen“.

Von Gesundheitsdiensten ist aber auf der „ehome“ nicht viel zu sehen. „Konkret“ scheint auch das Bedürfnis nach vernetzter Unterhaltung zu sein. Der PC als Multimedia-Center bringt Bewegung ins Geschäft, die sich allerdings vom „automatischen Haus“ abkoppelt. Nun hoffen die Anhänger smarter Kühlschränke, wenigstens im Windschatten mitgezogen zu werden.

Allerdings bieten Firmen wie Philips komplette Lösungen für die Erschließung der gesamten Wohnung vom Schlafzimmer bis zum Klo an – überall können die Filme, Bilder und Lieder von dem einen zentralen Server erlebt werden. Mit smarter Haustechnik ist das gar nicht kompatibel.

Bisher verfolgen die SmartHome-Verfechter die Idee, dass ein Bauherr sich sein Haus komplett verkabelt und dann eine intelligente Steuerung für alles einbaut. Eine andere Marketing-Idee verfolgt Motorola-Stratege Vince Izzo: „Gib den Leuten ein Stück Vernetzung, und warte dann, bis sie mehr verlangen.“ Seine Firma liefert das Kernstück für das „HomeGenius“-System von Shell. Seit April wird es auf dem US-Markt in ein paar Modellstädten im Süden getestet: Für 600 Dollar gibt es ein Starter-Paket mit Steckdosenschalter, einer Kamera, einem Kontaktsensor für Fenster und Türen und dem Motorola-„Gateway“, das alles vernetzt. Damit lassen sich die Geräte auch übers Internet steuern.

Siemens will die Kunden gar über einen Seiteneingang ins vernetzte Haus locken: Es hat seine neuen schnurlosen DECT-Telefone gleichzeitig zu Steuereinheiten umfunktioniert. Wer sie mit einem Adapter für 150 Euro aufrüstet, kann damit die brandneue Produktlinie von Hausgeräten fernsteuern – vorausgesetzt, er ist bereit, jeweils 140 Euro mehr pro Gerät auszugeben.

Einstiegsdroge für das vernetzte Haus ist Siemens zufolge eine Türklingel für 250 Euro, die direkt mit dem schnurlosen Telefon verbindet. Man kann Gäste einlassen oder abblocken, ohne aufstehen zu müssen. Die Branche ist bescheiden geworden.