piwik no script img

■ Känguruhfleisch, Krokodilsteak und KamelburgerCuisine exotique des 5. Kontinents

Mitte Januar entschloß sich die Regierung des australischen Northern Territory zu einem mit 20.000 Mark dotierten Test, um herauszufinden, wie Australier dem Genuß von Kamelfleisch gegenüberstehen. Das rundet die Vielfalt australischer Leckerbissen ab und zeigt zudem ökologiehistorisch, daß Schädlingsbekämpfung und Spezies-Umbürgerung eng mit exotischer Kulinarik verbunden sind.

Australien hat mit Tieren und Pflanzen, die dort eingeführt wurden und nicht hingehören, seit jeher enorme Probleme. Da ist die seit der Einfuhr von 24 Stück im Jahre 1859 auf rund 300 Millionen angewachsene Kaninchenpopulation. Sie zu fangen und zu Nahrung zu verarbeiten erwies sich als mühsam und unproduktiv. Man versuchte es 1950 mit dem Myxomatosevirus. Er rottete 90 Prozent der Kaninchen aus, aber der Rest wurde resistent und vermehrte sich weiter. Nun versucht es die australische Regierung erneut mit dem chinesischen Calicivirus, auch Blutervirus genannt. Infizierte Tiere sterben an akutem Atmungs- und Herzstillstand. Das Mitte Januar auf der Wardang Insel begonnene Experiment kostet 3,7 Millionen Mark. Krokodile sind zwar keine Landplage, aber verhaßt, doch offenbar schmecken sie als Steaks manchen Australiern recht gut. Das Nationaltier Känguruh hüpft mittlerweile in 31 Millionen Exemplaren herum – fast doppelt so viel wie Australien Einwohner hat. Trotz Protesten von Tierschützern, die auch immer wieder auf das liebe, gescheite Fernsehkänguruh Skippy verweisen, werden Jahr für Jahr über vier Millionen Tiere zum Abschuß freigegeben. Die Haut wird zu Handtaschen; das Fleisch wegen seines geringen Fettgehalts als „Gesundheitsfleisch“ propagiert, wandert nicht nur in Katzen- und Hundefutterdosen, sondern wird auch in die Restaurantküchen, die daraus Steaks und „Rooburger“ machen. Große Mengen werden nach Japan exportiert.

Einhökrige Kamele, also Dromedare, im vorigen Jahrhundert als geeignete Transportmittel in den fünften Kontinent gebracht, um beim Bau der Telegrafenlinie nach Darwin zu helfen, wurden nach und nach nutzlos. Heute leben etwa 60.000 verwilderte Kamele in den australischen Wüstenregionen.

Zwar stören sie niemanden, aber man kann sie verwerten, zu einem neuen Industriezweig der Cuisine exotique machen. In arabischen Ländern gibt es zwar seit jeher Kamelfleisch, aber für die Australier ist es etwas Neues. „Es schmeckt wie eine Mischung aus Zwergpinguin und Koalabär“, scherzte der zuständige Minister, Mick Palmer. Ernsthaft gestand er dem Wüstentier den Geschmack von Kalbfleisch zu.

Die in Alice Springs beheimatete Dromedarindustrie hatte bereits 1992 mit „Humpburgern“ (Buckelburger, austral. Slang auch langer Fußmarsch) begonnen, den Namen aber schnell wieder zurückgezogen. Der Buckel im Burger schien manchen Leuten unästhetisch. Doch möglicherweise kommt der „Humpburger“ nun doch wieder. Damit man die Kamelherden immer schnell finden kann, wurden sechs Leittiere mit elektronischen Halsbändern ausgestattet, die über Satelliten mit der Kamelsuchstation verbunden sind. Das Departement of Primary Industry and Fischeries hat bereits eine besonders günstige Wachstumsregion in Victoria entdeckt: Dort lebt eine seit Generationen an Kamelfleisch gewöhnte Moslembevölkerung. Weder für menschlichen noch tierischen Verzehr ist ein anderer australischer Plagegeist geeignet: die giftige, 25 Zentimeter lange und über einen Kilo schwere Zuckerrohrkröte (Bufa marinus). Das ursprünglich aus Südamerika stammende Amphibium wurde als geeigneter Vertilger des Zuckerrohrkäfers in den zwanziger Jahren nach Puerto Rico gebracht und bewährte sich. 1932 brachte man es zum selben Zweck nach Hawaii und auch dort funktionierte die Käfervernichtung. Auf in die Zuckerrohrfelder Australiens (1935), wo die Schädlingsvernichtung aus klimatischen Gründen nicht griff. Die Riesenkröten (eine legt bis zu 30.000 Eier pro Jahr) vermehrten sich rasend und fraßen alles außer Zuckerrohrkäfern – Bienen, Kleintiere, Vögel, Nutzinsekten. Man kann sich ihrer nur durch eifriges Einsammeln erwehren. Mit dem Nervengift Bufotentin wurden allerlei Experimente angestellt, es wirkt wie eine Art Psychodroge. 1960 wurde es verboten, aber manche Leute lecken die Kröten ab, um high zu werden. Erich Kocian

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen