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Archiv-Artikel

Kaboré ist frei

Abschiebung der genitalverstümmelten und von Zwangsheirat bedrohten Hamburgerin nach Burkina Faso in letzter Sekunde verhindert

Das Bundesamt hat zugesagt zu prüfen, ob der Rückkehr Gründe entgegenstehen

von ELKE SPANNER

Aminata Kaboré ist frei. Die 27-jährige Frau, die trotz drohender Zwangsheirat nach Burkina Faso abgeschoben werden sollte, ist gestern Nachmittag überraschend aus der Abschiebehaft in Frankfurt/Main entlassen worden. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bafl) hat die Abschiebeanordnung aufgehoben und angekündigt zu prüfen, ob der Rückkehr Kaborés in ihr Herkunftsland ernsthafte Gründe entgegenstehen. Die Hamburger Flüchtlingsberatungsstelle „Fluchtpunkt“ hat organisiert, dass Kaboré am Nachmittag in Frankfurt von einer Mitarbeiterin von „Pro Asyl“ vom Gefängnis abgeholt wurde.

Die überraschende Wende nahm der Fall, nachdem vorgestern die Dienststelle der Ausländerbeauftragten des Bundes, Marieluise Beck (Grüne), beim Bundesamt für Kaboré interveniert hatte – nach einem entsprechenden Hinweis der taz hamburg. Dadurch ist noch einmal nachdrücklich die Notlage der 27-Jährigen zur Sprache gekommen, die seit Dezember bereits im Gefängnis war.

Ihr Vater hatte Kaboré voriges Frühjahr gegen ihren Willen und mit Gewalt genitalverstümmeln lassen, um sie auf die Ehe mit einem ihr unbekannten Mann vorzubereiten (taz berichtete). Mit Hilfe einer Bekannten war sie nach Hamburg geflohen. Hier hatte sie ein halbes Jahr lang untergetaucht gelebt, ehe sie im Dezember schließlich von der Polizei aufgegriffen und in Abschiebehaft genommen worden war.

Nachdem ein erster Abschiebetermin am 6. März mit einer Petition verhindert werden konnte, wurde Kaboré nach Halberstadt verlegt. Nur durch Zufall hatte ihr Hamburger Anwalt Heinrich Hutzler dann am Dienstag erfahren, dass seine Mandantin bereits zur Abschiebung in Frankfurt war. Daraufhin hatte er den Antrag auf Feststellung von Abschiebehindernissen gestellt.

Seine Mandantin sei, hatte er geschrieben, „durch die erfolgte Zwangsbeschneidung offensichtlich schwer traumatisiert. Im Fall der zwangsweisen Rückkehr an den Ort der Traumatisierung besteht die konkrete Gefahr der Retraumatisierung und gegebenenfalls der Suizidalität“. Kaboré selbst hatte einem in Hamburg lebenden Freund von ihrer Angst erzählt, dass ihr Vater sie bei ihrer Rückkehr töten würde. Durch ihre Weigerung, den vom Vater ausgesuchten Mann zu heiraten, habe sie die Ehre der Familie verletzt.

Frauenspezifische Fluchtgründe wie Genitalverstümmelung, Zwangsheirat oder sexuelle Gewalt sind vom Gesetz als Asylgrund nicht ausdrücklich anerkannt. Es war eine der zentralen Neuerungen des von Rot-Grün entworfenen Zuwanderungsgesetzes, auch „nichtstaatliche Verfolgung“ als Asylgrund aufzunehmen – worunter auch geschlechtsspezifische Bedrohungen fallen können. Das hatte das UNO-Hilfswerk UNHCR empfohlen. Mittlerweile ist auch europaweit anerkannt, dass Frauen geschlechtsspezifische Gründe haben können, ihr Herkunftsland zu verlassen. Das Gesetz aber ist nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes nicht inkraft getreten.

Dennoch gibt es Rechtsschutz für Fälle wie den von Kaboré: Geschlechtsspezifische Verletzungen wie Genitalverstümmelung sind in den Verwaltungsvorschriften zum Ausländergesetz explizit als Grund für ein „Abschiebehindernis“ genannt.