KÜNSTLERHAUS TEIL 1 : Zwei reichen dicke
„Gerade aufgestanden oder schlechte Laune?“, fragt mich der türkische Zeitungshändler. Ich erschrecke mich ein bisschen, weil ich wohl mürrisch dreinblicke und gar nichts davon weiß, dabei habe ich gar keine schlechte Laune, jedenfalls nicht, dass ich wüsste, sondern bin nur abwesend, weshalb ich mich schnell für „gerade aufgestanden“ entscheide. Das ist nicht mal gelogen.
Wahrscheinlich fehlt mir einfach ein wenig moderne Kunst, um mich wieder etwas besser beziehungsweise erhabener zu fühlen beziehungsweise auf andere Gedanken zu kommen. Und da ich zufälligerweise gerade am Künstlerhaus Bethanien am Kottbusser Damm vorbeilaufe, gehe ich stracks hinein. Früher war da ein türkisches Restaurant drin, was da eigentlich gar nicht reinpasste. Von der Größe natürlich schon, aber ich meine jetzt vom Stil her. Da hätte besser ein Wiener Kaffeehaus gepasst, weshalb ich immer dachte, schade, dass da kein Wiener Kaffeehaus drin ist, denn dann würde ich da immer sitzen. Der türkische Imbiss war auch ganz gut, aber man will ja nicht den ganzen Tag beim Türken herumlungern. Der würde einen komisch finden, der Wiener nicht.
Jetzt sitzt rechts vom Eingang eine Frau hinter einem Tisch, auf dem viele Infobroschüren und Kataloge liegen. Sie ist meistens die einzige Person, die sich hier aufhält. Nein, nicht ganz, in den hinteren Räumen sitzt noch eine. Das ist nicht viel. Aber an den Wänden hängt ja auch nicht viel Kunst, auf die man aufpassen müsste. Eine Installation besteht aus einem Zelt aus verschiedenfarbigem Filz. Auf dem Zelt steht: „I don’t be your dog. I have only your 30 minutes.“ Nachdem ich ins Zelt auf einen dort befindlichen TV-Schirm geguckt habe, wo eine Collage aus dem täglichen Fernsehmüll läuft, denke ich mir, von mir kriegst du bestimmt keine 30 Minuten. Die zwei eben reichen dicke. Mir jedenfalls. KLAUS BITTERMANN