KURZKRITIK: BENNO SCHIRRMEISTER ÜBER DEN OUTNOW-START : Die Nacht der lebenden Kitty
Was zum Teufel…?! Es könnte auch das angewinkelte Bein eines verhungerten Kindes sein, was sich da aus der dunklen Erde schiebt, bedrohlich wie eine Horrorpflanze – im Kopfkino laufen von Phil Kaufmans Bodysnatchern über Romeros Zombie-Epen bis zu Suzukis Ring diverse Horrorklassiker zugleich: Auf etwa 120 mal 160 Zentimetern hat sich die Britin Kitty Graham aus rohen Brettern eine Bühne gebaut – eine Kiste voll Humus. Sie steht am äußersten rechten Rand ganz hinten auf der Bühne des Schauspielhauses. Nur ein paar indefinite schwarze Stäbchen stechen aus dem Torf heraus.
Zuvor hatte sich ein Team von Siebtsemestern der Hamburger Theaterakademie unter dem Titel „Die Salamitaktik“ mit Nikolai Gogols „Der Revisor“ beschäftigt. Es hat dabei eine Stunde lang meist ordentliches Schülertheater-Niveau erreicht. „The Bare Earth“ hingegen, Solo-Performance der Trinity-Absolventin Graham, die behauptet, sich krankheitsbedingt fast nur durch Fernsehen gebildet zu haben, dauert keine sieben Minuten – und löscht gnädig jede Erinnerung an diesen völlig missglückten Auftakt des Outnow!-Festivals: Synthie-Bässe setzen ein, gar nicht laut, eine beklemmende Soundscape. Und allmählich, ganz allmählich – zunächst nur als ein Bröckeln und Rinnen der Erde, dann auch ein atmendes Auf und Ab der schwarzen Spitzen – entwächst die bleiche Künstlerin aus ihrem grauenerregenden Beet. Nackt, und von den Zuschauern dicht umdrängt – und dennoch, durch die langen, das Gesicht komplett verdeckenden Haare in vollendeter Distanz. Atemberaubend.