: KP gewinnt Zweidrittelmehrheit
Alia verliert auch im zweiten Anlauf Parlamentssitz/ Die oppositionelle Demokratische Partei lehnt Koalition mit den Kommunisten ab/ Konstituierende Sitzung des Parlaments am 15.April ■ Aus Belgrad Roland Hofwiler
In Albanien bleibt alles beim alten. Bei der gestrigen zweiten Wahlrunde, der Stichwahl, gewannen die bereits aus dem ersten Wahlgang als haushohe Gewinner hervorgegangenen Kommunisten 17 der noch ausstehenden 19 Sitze hinzu. Mit mindestens 168 von 250 Mandaten verfügt die KP unter Ramiz Alia nunmehr über eine Zweidrittelmehrheit in der albanischen Nationalversammlung. Die einzige Oppositionspartei, die Demokratische Partei, kam insgesamt auf 75 Abgeordnete, die Organisation der griechischen Minderheit „Omonia“ auf fünf und der den Kommunisten nahestehende „Veteranenverband“ auf einen.
In einer ersten Stellungnahme hat der Sprecher der Opposition, Genc Nallo, Übergriffe und Beeinflussungen der Wähler durch Kommunisten beklagt. Zugleich lehnte er ein Zusammengehen mit der KP entschieden ab und kündigte an, die Demokratische Partei werde weiterhin in der Opposition bleiben. Die Kommunisten seien nicht in der Lage, aus eigener Kraft die wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu bewältigen, deshalb werde es innerhalb eines halben Jahres zu Neuwahlen kommen.
Bis dahin liegt es allein an der KP, wie es mit der Demokratisierung in Albanien weitergehen wird. Mit ihrer Zweidrittelmehrheit kann sie — einzigartig im zusammenbrechenden Ostblock — alles durchsetzen, angefangen von der Geschäftsordnung des neuen Parlaments bis hin zu einer neuen Verfassung, die gerade ausgearbeitet wird. Interessant dabei: Die KP hat ihren Wahlerfolg mit nur 55 Prozent der Stimmen gewonnen, während die Demokraten mit 38 Prozent hoch verloren haben — das strenge Mehrheitswahlrecht macht es möglich.
Die größte Überraschung aber war: Im Wahlkreis Tirana-Mitte unterlag Partei- und Staatschef Ramiz Alia auch im zweiten Anlauf einem weithin unbekannten Kandidaten der Demokratischen Partei. Danach müßte er konsequenterweiser das höchste Staatsamt niederlegen, denn die noch geltende Verfassung sieht vor, daß nur ein Abgeordneter der Nationalversammlung Staatschef sein kann.
Alia ist nun innerhalb seiner Partei extrem geschwächt, er, der ursprünglich von oben herab alle Reformen ins Rollen brachte, er, der als die große poltische Persönlichkeit Albaniens überhaupt gilt, er, der innerhalb der KP in einem feinen Balanceakt zwischen Dogmatikern und Reformern vermittelte. Nun rechnen poltitische Beobachter damit, daß sich die KP in den nächsten Monaten gar spalten könnte. Der Vermittler Alia sei zu sehr geschwächt. Am kommenden Montag wird das neue Parlament erstmals zusammentreten, dann wird sich zeigen, wie Albanien aus seiner verfahrenen politischen Situation herauszukommen gedenkt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen